Kündigung eines „illoyalen“ Chefarztes 

Chefärzt:innen kann nicht gekündigt werden, weil eine unternehmerische Entscheidung des Krankenhauses nicht gutgeheißen wird. Chefärzt:innen, die die unternehmerische Entscheidung der Verschmelzung mit einem anderen Kreiskrankenhaus torpedieren, verletzten hierdurch keine arbeitsvertragliche Pflicht. Hierin liegt kein Verstoß gegen die Loyalitätspflicht (vgl. Arbeitsgericht Gera, Urteil vom 20.12.2023 – 4 Ca 495/23).  

Was war passiert:

Der Chefarzt eines von zwei Kreiskrankenhäusern war mit der beabsichtigten Verschmelzung der beiden Krankenhäuser nicht einverstanden. Nachdem die beiden Kreiskrankenhäuser miteinander fusionierten, wurde das zwischen dem Chefarzt und dem Krankenhaus bestehende Arbeitsverhältnis von der Arbeitgeberin gekündigt. Gegen die Kündigung wendete sich der Chefarzt mit einer Kündigungsschutzklage.

Begründet wurde die Kündigung damit, dass sich der Chefarzt aktiv darum bemüht habe, den Verschmelzungsprozess der beiden Kreiskrankenhäuser zu verhindern. Der Chefarzt habe etwa an Demonstrationen der Belegschaft gegen die Fusion der Kreiskrankenhäuser teilgenommen. Das Krankenhaus sieht in diesen Handlungen einen Ausdruck fehlender Loyalität gegenüber der Arbeitgeberin.

Das Gericht hielt weder die außerordentliche noch die ordentliche Kündigung für wirksam.

Nach § 626 Abs. 1 BGB kann ein Arbeitsverhältnis von jedem Vertragsteil aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist außerordentlich gekündigt werden, wenn Tatsachen vorliegen, aufgrund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Dienstverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. Die außerordentliche fristlose Kündigung kann nur innerhalb von zwei Wochen erfolgen, § 626 Abs. 2 BGB.

Das Gericht sieht in dem Verhalten des Chefarztes keine Verletzung arbeitsvertraglicher Haupt- oder Nebenpflichten, die derart gravierend ist, dass das Arbeitsverhältnis fristlos gekündigt werden kann. Es ist keine Pflicht des Chefarztes, unternehmerische Entscheidungen des Krankenhauses wie die Verschmelzung zweier Kreiskrankenhäuser zu unterstützen. Hierin kann kein Verstoß gegen die Loyalitätspflicht des angestellten Chefarztes gegenüber seiner Arbeitgeberin gesehen werden.

Das Arbeitsverhältnis konnte auch nicht ordentlich nach § 622 BGB i.V.m. § 1 Abs. 2 S. 1 KSchG gekündigt werden. Danach ist eine Kündigung u. a. dann wirksam, wenn das Verhalten von Arbeitnehmer:innen Anlass zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses gegeben hat, weil eine arbeitsvertragliche Haupt- und Nebenpflichte schuldhaft verletzt worden, eine störungsfreie Vertragserfüllung in Zukunft nicht mehr zu erwartet und eine Weiterbeschäftigung nicht zumutbar ist. Laut dem Gericht ergibt sich eine erhebliche Verletzung arbeitsvertraglicher Pflichten durch den Chefarzt nicht durch das Ansinnen, die Fusion der beiden Kreiskrankenhäuser nicht zu begrüßen. Der Chefarzt war nicht dazu verpflichtet, die Fusion der beiden Kreiskrankenhäuser zu unterstützen. Eine verhaltensbedingte Kündigung war nicht zu rechtfertigen.

Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig. Die Berufung ist beim Thüringischen Landesarbeitsgericht anhängig.