Schwerbehinderte Menschen haben einen besonderen Kündigungsschutz. Dieser besteht insbesondere darin, dass Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung die Zustimmung des Integrationsamts einholen und die Schwerbehindertenvertretung beteiligen müssen. Die Zustimmung des Integrationsamts ist grundsätzlich bei allen Arten von Kündigungen erforderlich. Es macht demnach keinen Unterschied, ob es sich um eine ordentliche oder fristlose Kündigung handelt. Auch die Betriebsgröße spielt keine Rolle für das Zustimmungserfordernis.

Ist die Zustimmung des Integrationsamts immer erforderlich oder gibt es Ausnahmen?

Das Gesetz sieht eine Ausnahme in § 173 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB IX vor. Danach gelten die entsprechenden Vorschriften nicht, wenn das Arbeitsverhältnis noch nicht länger als sechs Monate besteht. Auch die bisherige Rechtsprechung des BAG sieht innerhalb der ersten sechs Monate nach dem Beginn eines Arbeitsverhältnisses noch keinen Kündigungsschutz (§ 1 Abs. 1 KSchG, §§ 173 Abs. 1, 168 SGB IX) für schwerbehinderte Mitarbeitende vor. Bei einer Beschäftigungsdauer von bis zu sechs Monaten ist hiernach eine zustimmungsfreie Kündigung möglich.

Kein Schutz in den ersten sechs Monaten? 

Trotz der Ausnahme im SGB IX besteht auch in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses ein Schutz für schwerbehinderte Menschen. So muss der Arbeitgeber vor einer Kündigung Alternativen erwägen, z.B. die behindertengerechte Anpassung des Arbeitsplatzes oder die Versetzung auf eine andere, geeignete Position (EuGH Urt. v. 10.02.2022- C-485/20). Zudem sind Schwerbehinderte auch während der Probezeit durch das AGG geschützt, wenn die Kündigung im Zusammenhang mit ihrer Behinderung steht. Allerdings war bisher nicht die Zustimmung des Integrationsamts in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses erforderlich.

Neue Entwicklungen in der Rechtsprechung – doch Zustimmung in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses erforderlich?

Die 6. Kammer des LAG Köln stellt sich mit ihrem Urteil vom 12.09.2024- 6 SLA 76/24 gegen die bisherige Rechtsprechung des BAG zur bis zum Jahre 2017 geltenden Vorgängernorm und verlangt ein Präventionsverfahren auch in der Wartezeit. Arbeitgeber müssen hiernach auch innerhalb der ersten sechs Monate eines Arbeitsverhältnisses mit einem Schwerbehinderten vor einer Kündigung ein Präventionsverfahren durchführen, urteilte das LAG Köln. Hierbei soll dem Arbeitgeber eine Beweiserleichterung zugutekommen.

Zusammenfassend besteht auch in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses bereits ein Schutz für Schwerbehinderte. Nach der neuesten Entscheidung des LAG Köln bleibt abzuwarten, ob in Zukunft die Zustimmung des Integrationsamts in den ersten sechs Monaten des Arbeitsverhältnisses erforderlich ist.

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