Wenn ein naher Angehöriger stirbt, haben pflichtteilsberechtigte Personen, grundsätzlich also Kinder oder Ehepartner, die enterbt sind, Anspruch auf ihren Pflichtteil.
Die Bemessungsgrundlage für die Berechnung des Pflichtteilsanspruches ist zum einen der tatsächlich zum Zeitpunkt des Todes des Erblassers vorhandene Nachlass, zum anderen werden aber unter Umständen Schenkungen, die der Verstorbene während seiner Lebzeiten getätigt hat, fiktiv dem Nachlass hinzugerechnet (sogenannter Pflichtteilsergänzungsanspruch).
Hier stellt sich dann oft die Streitfrage, ob ein zu Lebzeiten bereits beschenkter Erbe an den Pflichtteilsberechtigten mehr zahlen muss als die anderen Erben, die keine Schenkungen oder geringere Schenkungen erhalten haben.
Dies führt häufig zu Streit zwischen den Erben.
Grundsätzlich haftet die Erbengemeinschaft, also bei mehreren Erben die Mehrheit der Erben gesamtschuldnerisch, also alle miteinander gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten für die Erfüllung der Pflichtteilsansprüche. Bei drei Erben beispielsweise bedeutet dies vereinfacht ausgedrückt, dass der Pflichtteilsanspruch aus dem Nachlass zu bedienen ist und somit jeder Erbe zu 1/3 durch entsprechende Minderung seines Nachlassanteiles partizipiert.
Muss jetzt der beschenkte Erbe einen höheren Anteil als die anderen, nicht Beschenkten an den Pflichtteilsberechtigten zahlen bzw. einen Ausgleich gegenüber den anderen Erben vornehmen?
Grundsätzlich nein, sondern es wird einfach der vorhandene Nachlass und der Wert der Schenkung zusammengerechnet, quasi in einen Topf geworfen und aus diesem "Topf" der Pflichtteil des Pflichtteilsberechtigten berechnet.
Der beschenkte Erbe muss daher also grundsätzlich keinen höheren Anteil zahlen.
Ausnahme jedoch:
Wenn der vorhandene Nachlass selbst nicht ausreicht, um die Pflichtteilsansprüche des Pflichtteilsberechtigten zu bedienen, so muss unter Umständen der beschenkte Erbe den fehlenden Teil des Pflichtteilsanspruches, der nicht aus dem Nachlass bedient werden kann, ergänzen.
Beispielfall:
Der Pflichtteilsanspruch einschließlich Pflichtteilergänzungsanspruch des Pflichtteilsberechtigten beläuft sich auf insgesamt 60.000,00 €, im Nachlass vorhanden sind jedoch nur 50.000,00 €. In diesem Falle muss dann der beschenkte Erbe die restlichen, aus dem Nachlass nicht bezahlbaren 10.000,00 € gegenüber dem Pflichtteilsberechtigten direkt ausgleichen.
Fazit:
Es kann sich durchaus je nach Höhe des vorhandenen Nachlasses einerseits und der Höhe des bestehenden Pflichtteilsanspruches andererseits eine Mehrbelastung für den beschenkten Erben ergeben.
Vor diesem Hintergrund ist daher anzuraten, dass ein potentieller Erbe, der bereits zu Lebzeiten umfangreiche Schenkungen erhalten hat, sich bereits vor Eintritt des Todesfalles beraten lässt, wie er möglicherweise den diesbezüglichen Haftungsansprüchen entgehen oder diese minimieren kann.
Spätestens bei Eintritt des Erbfalles sollten sich die Beteiligten dann beraten lassen, damit - ohne dass möglicherweise unnötiger, emotional aufgeladener Streit entsteht, objektiv geklärt werden kann, wie die einzelnen Ansprüche sich zueinander verhalten und ob und ggf. wieviel der beschenkte Miterbe mehr zahlen muss.