Die Ehe ist oft von gemeinsamer Verantwortung und gegenseitiger Unterstützung geprägt. Doch was geschieht, wenn die Ehe endet und ein Ehepartner nach der Scheidung finanziell schlechter gestellt ist? Der Anspruch auf nachehelichen Ehegattenunterhalt gibt hier rechtliche Orientierung – ein wichtiges Thema, das immer wieder Fragen aufwirft. Unter welchen Voraussetzungen ist nachehelicher Unterhalt möglich, und welche Grenzen sind zu beachten?

Ich möchte Ihnen die wichtigsten Voraussetzungen und Grenzen des nachehelichen Unterhalts vorstellen und Ihnen Einblick geben, worauf es in der Praxis ankommt, damit Sie Klarheit und eine gerechte Lösung erreichen können.

Wann besteht ein Anspruch auf nachehelichen Unterhalt?

Der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt ergibt sich aus § 1570 ff. BGB und kann in verschiedenen Fällen geltend gemacht werden. Ein Ehepartner muss jedoch nicht automatisch Unterhalt zahlen – es braucht besondere Voraussetzungen, die individuell geprüft werden.

Die wesentlichen Voraussetzungen sind:

  1. Bedürftigkeit des unterhaltsberechtigten Ehepartners: Der Ex-Partner muss bedürftig sein, das heißt, er kann seinen Lebensunterhalt nach der Scheidung nicht selbst bestreiten. Gründe dafür können ein geringes Einkommen, Arbeitslosigkeit oder gesundheitliche Einschränkungen sein. Die Bedürftigkeit ist in jedem Fall konkret nachzuweisen.

  2. Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen: Der unterhaltspflichtige Ex-Partner muss in der Lage sein, Unterhalt zu leisten, ohne dabei in seinen eigenen notwendigen Lebensstandard einzugreifen. Die Leistungsfähigkeit umfasst also nicht nur das Einkommen, sondern auch die wirtschaftliche Belastbarkeit.

  3. Besondere gesetzlich geregelte Unterhaltstatbestände: Es gibt bestimmte Gründe, die den Anspruch auf nachehelichen Unterhalt begründen können, darunter:

    • Betreuungsunterhalt (§ 1570 BGB): wenn der Ex-Partner gemeinsame Kinder betreut, die unter drei Jahre alt sind oder aus wichtigen Gründen auch länger eine Betreuung benötigen.
    • Unterhalt wegen Alters (§ 1571 BGB): wenn ein Ehepartner aufgrund des fortgeschrittenen Alters nicht mehr arbeiten kann.
    • Unterhalt wegen Krankheit oder Gebrechen (§ 1572 BGB): wenn der Ex-Partner aus gesundheitlichen Gründen nicht erwerbsfähig ist.
    • Aufstockungsunterhalt (§ 1573 Abs. 2 BGB): wenn der berechtigte Ehepartner arbeitet, aber nicht genug verdient, um den bisherigen Lebensstandard zu halten.
    • Ausbildungs- oder Fortbildungsunterhalt (§ 1575 BGB): wenn der Partner eine Aus- oder Weiterbildung benötigt, um seinen Lebensunterhalt selbst zu sichern.

Die Grenzen des nachehelichen Unterhalts: Was ist „angemessen“?

Der Gesetzgeber sieht klare Grenzen für den nachehelichen Unterhalt vor. Grundsätzlich wird der nacheheliche Unterhalt als Hilfe zur Selbsthilfe verstanden – das Ziel ist die finanzielle Eigenständigkeit beider Ehepartner. Aus diesem Grund besteht der Anspruch auf nachehelichen Unterhalt in vielen Fällen zeitlich begrenzt. Der Gedanke dahinter ist, dass nach einer gewissen Übergangszeit jeder Ex-Partner für sich selbst sorgen kann und soll.

Eine wichtige Grenze wird durch das Prinzip der Eigenverantwortung gesetzt: Laut § 1569 BGB ist jeder geschiedene Ehepartner grundsätzlich selbst verantwortlich für seinen Lebensunterhalt. Nur wenn dies aufgrund bestimmter Gründe nicht möglich ist, greift der Unterhaltsanspruch. Auch die Dauer der Ehe und die ehelichen Lebensverhältnisse spielen hier eine Rolle – je länger die Ehe bestand und je stärker der Lebensstandard durch die Ehe geprägt war, desto eher kann eine längere oder höhere Unterhaltszahlung verlangt werden.

Rechtsprechung: Die Bedeutung der „Eheprägung“ und der „Billigkeitsabwägung“

Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) hat sich intensiv mit dem Thema nachehelicher Unterhalt beschäftigt. Ein wichtiger Begriff ist dabei die Eheprägung. Der BGH sieht vor, dass nachehelicher Unterhalt umso wahrscheinlicher ist, je stärker die Lebensumstände des bedürftigen Partners durch die Ehe geprägt wurden. War ein Ehepartner beispielsweise lange für den Haushalt oder die Kinderbetreuung verantwortlich und hat dadurch keine Berufserfahrung gesammelt, so wird dies in der Unterhaltsentscheidung berücksichtigt.

Ebenso wichtig ist die sogenannte Billigkeitsabwägung: Die Gerichte prüfen, ob die Forderung nach Unterhalt unter Berücksichtigung aller Umstände fair und gerecht ist. Es geht um eine Abwägung, die sicherstellt, dass der Unterhaltspflichtige nicht übermäßig belastet wird und beide Seiten eine faire Lösung finden.

Nachehelicher Unterhalt in der Praxis: Lösungen und Verhandlungsspielräume

In der Praxis empfiehlt es sich, eine einvernehmliche Lösung anzustreben. Viele Paare vereinbaren in einem Ehevertrag oder einer Scheidungsfolgenvereinbarung eine Regelung zum nachehelichen Unterhalt, die die Bedürfnisse beider Seiten berücksichtigt. Oft sind solche Vereinbarungen effizienter als ein langer Gerichtsprozess, da sie auf die individuellen Lebensverhältnisse angepasst werden können.

Eine gerechte Lösung zu finden, ist auch emotional ein wichtiger Schritt, denn der nacheheliche Unterhalt soll eine faire Unterstützung und kein Dauerstreitpunkt sein.

Fazit: Eine faire Lösung im Blick behalten

Der nacheheliche Ehegattenunterhalt ist ein komplexes Thema mit klaren Voraussetzungen und Grenzen. Wenn Sie oder jemand in Ihrem Umfeld betroffen sind, ist es ratsam, sich frühzeitig über die Ansprüche und Pflichten zu informieren, die nach der Scheidung bestehen könnten. Gerne stehe ich Ihnen mit meiner Erfahrung zur Seite, um gemeinsam eine rechtlich fundierte und faire Lösung zu entwickeln, die die Interessen beider Seiten respektiert und das Ziel der finanziellen Eigenständigkeit unterstützt.