Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat mit Urteil vom 3. April 2025 entschieden, dass eine Arbeitnehmerin, die schuldlos erst nach Ablauf der regulären Klagefrist von ihrer zum Zeitpunkt der Kündigung bestehenden Schwangerschaft erfährt, eine nachträgliche Zulassung ihrer Kündigungsschutzklage beantragen kann.

Der Fall: Kündigung und spätere Kenntnis der Schwangerschaft

Die Arbeitnehmerin erhielt am 14. Mai 2022 eine Kündigung mit Wirkung zum 30. Juni 2022. Am 29. Mai 2022 führte sie einen positiven Schwangerschaftstest durch und bemühte sich umgehend um einen Termin beim Frauenarzt, den sie jedoch erst für den 17. Juni 2022 erhielt.

Am 13. Juni 2022 reichte sie eine Kündigungsschutzklage ein und beantragte deren nachträgliche Zulassung. Ein ärztliches Zeugnis über die Schwangerschaft reichte sie am 21. Juni 2022 beim Arbeitsgericht ein. Als voraussichtlicher Geburtstermin wurde dabei der 02. Februar 2023 ausgewiesen, womit die Schwangerschaft nach entsprechender Rückrechnung bereits am 28. April 2022 begonnen hatte – also noch vor Zugang der Kündigung.

Die Arbeitnehmerin wollte demnach entsprechend der Regelung des § 5 Abs. 1 Satz 2 KSchG die nachträgliche Zulassung ihrer Klage erreichen. Denn die eigentlich geltende 3- Wochenfrist für die Erhebung der Kündigungsschutzklage war bereits verstrichen. Die Arbeitgeberin war jedoch der Auffassung, dass die Arbeitnehmerin bereits während dieser 3- Wochenfrist Kenntnis von der Schwangerschaft hatte und zwar durch den positiven Schwangerschaftstest.

Sowohl das Arbeitsgericht, als auch das Landesarbeitsgericht haben der Klage der Arbeitnehmerin stattgegeben.

Besonderer Kündigungsschutz für Schwangere und Klagefrist

Die Kündigung von Frauen während der Schwangerschaft, bis zu vier Monate nach der Entbindung oder bis zu vier Monate nach einer Fehlgeburt ist nach § 17 Abs. 1 MuSchG unzulässig. Dem Arbeitgeber müssen diese Tatsachen bekannt sein oder aber innerhalb von zwei Wochen nach Erhalt der Kündigung mitgeteilt werden.

In besonderen Fällen kann eine solche Kündigung durch die zuständige oberste Landesbehörde ausnahmsweise für zulässig erklärt werden. Die Kündigung darf jedoch nicht mit der Schwangerschaft, der Fehlgeburt oder der Entbindung in Zusammenhang stehen. In Betracht kommen daher vor allem betriebliche oder verhaltensbedingte Gründe.

Die Unwirksamkeit einer Kündigung kann grundsätzlich nur innerhalb von drei Wochen nach Erhalt der Kündigung geltend gemacht werden. Wird diese Frist nach § 4 Satz 1 KSchG nicht gewahrt, so gilt die Kündigung nach § 7 KSchG als von Anfang an wirksam.

Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Auch das BAG bestätigte nun, dass die Kündigung aufgrund des besonderen Kündigungsschutzes für Schwangere gemäß § 17 Abs. 1 Nr. 1 Mutterschutzgesetz (MuSchG) unwirksam ist.

Zwar sei die gesetzliche Klagefrist von drei Wochen nach Zugang der Kündigung tatsächlich bereits verstrichen gewesen, jedoch sah das Gericht einen unverschuldeten Grund für die verspätete Klageerhebung. Denn die Arbeitnehmerin erlangte erst durch die ärztliche Untersuchung am 17. Juni 2022 sichere Kenntnis von ihrer Schwangerschaft. Der zuvor durchgeführte positive Schwangerschaftstest sei nicht geeignet, diese Kenntnis sicher zu vermitteln. Ohne die ärztliche Feststellung des voraussichtlichen Geburtstermins sei es der Arbeitnehmerin zudem nicht möglich sicher festzustellen, ob sie zum Kündigungszeitpunkt bereits schwanger war – und somit unter den besonderen Kündigungsschutz des § 17 Abs. 1 MuSchG fällt.

Das BAG entschied daher, dass die nachträgliche Zulassung der Klage gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) gerechtfertigt und die Kündigung aufgrund des Verstoßes gegen das Mutterschutzgesetz unwirksam war. 

Bedeutung für Arbeitnehmerinnen

Dieses Urteil stärkt den Kündigungsschutz für schwangere Arbeitnehmerinnen erheblich. Es stellt klar, dass die nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage möglich ist, wenn die Arbeitnehmerin unverschuldet erst nach Ablauf der Klagefrist von ihrer Schwangerschaft erfährt. Wichtig ist hierbei, dass die Arbeitnehmerin nachweislich alles unternommen hat, um zeitnah Gewissheit über ihre Schwangerschaft zu erlangen. Auf das Vorliegen eines positiven Schwangerschaftstests müssen sich schwangere Arbeitnehmerinnen nicht verweisen lassen – erst die frühestmögliche ärztliche Untersuchung kann die Schwangerschaft, den voraussichtlichen Entbindungstermin sowie den Beginn der Schwangerschaft feststellen.

Fazit

Arbeitnehmerinnen sollten bei einer Kündigung während einer unentdeckten Schwangerschaft umgehend ärztlichen Rat einholen und rechtliche Schritte prüfen. Das aktuelle BAG-Urteil bietet in solchen Situationen zusätzlichen Schutz und ermöglicht unter den vorbenannten Voraussetzungen die nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage.

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