Viele Arbeitnehmer stellen sich die Frage, ob sie während einer Krankschreibung einer Nebentätigkeit nachgehen dürfen. Was zunächst nach einem klaren Verstoß gegen arbeitsrechtliche Pflichten klingt, ist tatsächlich differenzierter zu betrachten. Denn nicht jede Tätigkeit während der Arbeitsunfähigkeit stellt automatisch eine Pflichtverletzung dar. In bestimmten Fällen kann eine Kündigung jedoch gerechtfertigt sein.
Krankschreibung bedeutet nicht immer vollständige Arbeitsunfähigkeit
Eine ärztliche Krankschreibung (Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung) bescheinigt, dass ein Arbeitnehmer aufgrund gesundheitlicher Einschränkungen seine arbeitsvertraglich geschuldete Tätigkeit nicht ausführen kann. Das bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass jegliche Art von Arbeit verboten ist. Entscheidend ist, ob die ausgeübte Tätigkeit mit der gesundheitlichen Beeinträchtigung vereinbar ist und die Genesung nicht verzögert.
Ein Beispiel: Ein Bauarbeiter mit einer Rückenverletzung kann unter Umständen schweres Heben oder körperlich anstrengende Tätigkeiten nicht ausführen. Dennoch könnte er in der Lage sein, eine leichte Bürotätigkeit oder eine vergleichbare Nebenbeschäftigung auszuüben.
Wann droht eine fristlose Kündigung?
Ein kritischer Punkt entsteht, wenn der Arbeitgeber den Verdacht hat, dass die Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht wurde. In einem solchen Fall kann eine fristlose Kündigung gemäß § 626 Abs. 1 BGB ausgesprochen werden. Der Arbeitgeber muss allerdings nachweisen, dass der Arbeitnehmer entweder die Krankschreibung missbraucht oder sich genesungswidrig verhalten hat.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) befasste sich mit genau diesem Thema in einer Grundsatzentscheidung (BAG, Urteil vom 26.08.1993, Az.: 2 AZR 154/93).
Der Fall vor dem Bundesarbeitsgericht (BAG)
Ein Arbeitnehmer, der als Schlosser tätig war, erhielt eine fristlose Kündigung, nachdem sein Arbeitgeber erfahren hatte, dass er trotz einer ärztlichen Krankschreibung als Reinigungskraft arbeitete. Der Arbeitgeber war der Ansicht, dass die Krankschreibung nur vorgeschoben war, um der Haupttätigkeit nicht nachgehen zu müssen.
Der Arbeitnehmer argumentierte hingegen, dass er tatsächlich arbeitsunfähig gewesen sei – allerdings nur in Bezug auf seine schwere Tätigkeit als Schlosser. Die leichtere Reinigungstätigkeit hätte er dagegen ohne gesundheitliche Beeinträchtigungen ausführen können. Zudem hätte diese Tätigkeit seine Genesung nicht beeinträchtigt.
Wie entschied das Gericht?
Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht gaben zunächst dem Arbeitnehmer Recht. Sie führten aus, dass eine ärztliche Krankschreibung in der Regel als Beweis für die Arbeitsunfähigkeit gilt. Das Bundesarbeitsgericht bestätigte diese Auffassung weitgehend, betonte jedoch, dass eine Nebenbeschäftigung während der Krankschreibung unter bestimmten Umständen die Beweiskraft der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung entkräften könne.
Der Arbeitgeber konnte nicht beweisen, dass der Arbeitnehmer die Krankschreibung bewusst missbraucht hatte. Allerdings verwies das Gericht den Fall zur weiteren Sachaufklärung an die Vorinstanz zurück. Der Arbeitnehmer musste darlegen, dass er tatsächlich nicht in der Lage war, als Schlosser zu arbeiten, aber trotzdem eine leichtere Reinigungstätigkeit ausführen konnte.
Wichtige Erkenntnisse für Arbeitnehmer
Eine Krankschreibung bedeutet nicht zwangsläufig, dass jegliche Arbeit untersagt ist. Entscheidend ist, ob die Nebentätigkeit mit der Erkrankung vereinbar ist und die Genesung nicht verzögert.
Wer während der Krankschreibung einer anderen Beschäftigung nachgeht, sollte sich ärztlich bestätigen lassen, dass diese Tätigkeit unbedenklich ist.
Der Arbeitgeber kann eine fristlose Kündigung aussprechen, wenn er nachweisen kann, dass die Arbeitsunfähigkeit nur vorgetäuscht wurde.
Eine Nebenbeschäftigung kann die Beweiskraft der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung schwächen.
Sie haben eine Kündigung wegen der Ausübung eines Nebenjobs erhalten?
Wenn Ihnen aufgrund einer Nebenbeschäftigung während Ihrer Krankschreibung gekündigt wurde, sollten Sie die Kündigung nicht einfach hinnehmen. Oftmals sind fristlose Kündigungen in solchen Fällen rechtlich angreifbar. Ich unterstütze Sie sowohl außergerichtlich als auch vor dem Arbeitsgericht und prüfe, ob die Kündigung unwirksam ist.
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