Das Landgericht Berlin hat am 28. Oktober 2021 entschieden, dass die auf einer Formularvereinbarung beruhende Vereinnahmung von Verwahrentgelten (sog. Negativzinsen) gegen § 307 BGB verstößt (LG Berlin, Urteil vom 28.10.2021 - 16 O 43/21). Die wesentliche Argumentation des Landgerichts Berlin ist von bestechender Klarheit: In § 488 BGB ist gesetzlich eine Zinspflicht desjenigen vorgesehen, der Kredit in Anspruch nimmt, nicht aber desjenigen, der Kredit gewährt. Zwar mag die Zinspflicht des Kreditgebers - des Bankkunden - durch eine Formularvereinbarung auf 0 sinken. Eine negative Zinspflicht des Kreditgebers stellt hingegen eine Abweichung von der gesetzlichen Regel dar, die individuell vereinbart werden muss.

Der Argumentation der Bank, die aktuelle Niedrigzinsphase rechtfertige negative Zinsen, erteilte das Landgericht Berlin unter Bezugnahme auf ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom 14. Mai 2019 (XI ZR 345/18) eine Absage. In dieser zu einem Prämiensparvertrag ergangenen Entscheidung hatte der Bundesgerichtshof hervorgehoben, dass für die rechtliche Einordnung eines Vertrages nicht das Renditeinteresse der Bank maßgeblich sei, sondern die getroffenen Parteivereinbarungen.

Das Urteil des Landgerichts Berlin liegt auf einer Linie mit einer Entscheidung des Landgerichts Leipzig vom 8. Juli 2021 (Az.: 5 O 640/20),  das für die wirksame Begründung von Verwahrentgelten ebenfalls eine Individualvereinbarung fordert und diese Rechtsauffassung als "herrschende Meinung" bezeichnet. Auch das Landgericht Tübingen hat bereits mit Urteil vom 26. Januar 2018 (Az.: 4 O 187/17) erkannt, dass die negative Verzinsung von Einlagen mittels Allgemeiner Geschäftsbedingungen (hier in der Form eines Preisaushangs) gegen § 307 BGB und gegen § 305c BGB (sog. überraschende Klausel) verstößt.

Danach dürften derart von Banken oder Sparkassen vereinnahmte Verwahrentgelte bzw. Negativzinsen für Einlagen auf Giro-, Spar-, Festgeld- oder Termingeldkonten zu erstatten sein. Betroffene Bankkunden werden beachten müssen, dass eine Rückforderung aus Gründen der Verjährung im Regelfall nur für die vergangenen drei Jahre möglich sein wird.