Am 1. April 2025 tritt in Deutschland der neue § 273a ZPO in Kraft, ein entscheidender Schritt zum verbesserten Schutz von Geschäftsgeheimnissen im Zivilprozess. Der neue Paragraph ist Teil des Justizstandort-Stärkungsgesetzes und wurde mit dem Ziel eingeführt, Deutschland als Justiz- und Wirtschaftsstandort attraktiver zu machen. Der Gesetzgeber reagiert damit auf die langjährige Kritik, dass Unternehmen in Zivilverfahren oft gezwungen sind, geschäftskritische Informationen offenzulegen, um ihre Rechtsposition zu sichern. Diese Offenlegungspflicht ließ Unternehmen oft zwischen dem Erhalt von Geschäftsgeheimnissen und dem Risiko eines Prozessverlustes wählen – ein Dilemma, das Unternehmen häufig in die Schiedsgerichtsbarkeit oder an ausländische Gerichte trieb.

Geschäftsgeheimnisse im Spannungsfeld von Öffentlichkeit und Vertraulichkeit

Während im Zivilprozess normalerweise das Prinzip der Öffentlichkeit gilt (§ 169 GVG), geht § 273a ZPO bewusst einen anderen Weg: Er bietet den Parteien die Möglichkeit, sensible Informationen als „geheimhaltungsbedürftig“ einstufen zu lassen. Diese Einstufung schützt streitgegenständliche Informationen, die Geschäftsgeheimnisse im Sinne des § 2 Nr. 1 Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) sein können. Das sind geschäftsbezogene Informationen, die geheim sind, daher einen wirtschaftlichen Wert besitzen, durch angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen geschützt werden und bei der ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht. Der neue Paragraph erweitert die Regelungen des GeschGehG, die bisher ausschließlich für Geschäftsgeheimnisstreitsachen (also Verfahren durch die Ansprüche nach dem GeschGehG geltend gemacht werden) galten, auf sämtliche Zivilverfahren.

Wie funktioniert der Geheimnisschutz nach § 273a ZPO?

Um eine Information als geheimhaltungsbedürftig einstufen zu lassen, muss eine der Parteien einen Antrag stellen und dabei die oben genannten Tatbestandsmerkmale glaubhaft machen.

Daraufhin prüft das im Rahmen einer Ermessensentscheidung, ob diese Informationen ein Geschäftsgeheimnis sein können. Es ist jedoch nicht erforderlich, dass das Gericht hiervon überzeugt ist. Vielmehr genügt, dass das Vorliegen eines Geschäftsgeheimnisses möglich bzw. überwiegend wahrscheinlich ist.

Gibt das Gericht dem Antrag statt, sind alle Verfahrensbeteiligten gem. § 273a ZPO i. V. m. § 16 Abs. 2 GeschGehG zur Vertraulichkeit verpflichtet und dürfen das Geschäftsgeheimnis weder nutzen noch offenlegen, es sei denn sie haben hiervon außerhalb des Verfahrens erfahren. Die Einstufung erstreckt sich auf die gesamte Dauer des Verfahrens und sogar darüber hinaus: Auch nach Abschluss eines Verfahrens dürfen die geheimhaltungsbedürftigen Informationen gem. § 273a ZPO i. V. m. § 18 GeschGehG nicht offengelegt werden. Verstöße gegen die Geheimhaltungspflicht können durch Ordnungsgelder bis zu 100.000 Euro oder ersatzweise Ordnungshaft geahndet werden.

Ein weiterer Vorteil ist, dass auch Akteneinsicht für Dritte eingeschränkt werden kann. Drittparteien dürfen Akten nur dann einsehen, wenn die geheimhaltungsbedürftigen Informationen entweder geschwärzt oder entfernt wurden. Zusätzlich kann das Gericht in besonders sensiblen Fällen einzelne Verfahrensbeteiligte von Dokumenten und Verhandlungen ausschließen oder sogar die Öffentlichkeit von der mündlichen Verhandlung ausschließen, falls eine umfassende Interessenabwägung ergibt, dass der Schutz der Geschäftsgeheimnisse dies rechtfertigt. Diese Entscheidung fällt jedoch nur im Ausnahmefall und unter genauer Prüfung der Verfahrensrechte.

Staatliche Gerichte als Alternative zur Schiedsgerichtsbarkeit

Der Geheimnisschutz nach § 273a ZPO könnte die bisher bevorzugte Schiedsgerichtsbarkeit für Unternehmen weniger notwendig machen. Schiedsgerichte boten den Vorteil, vertrauliche Informationen wirksam zu schützen, wodurch diese Alternative für Unternehmen attraktiv war. Durch die Einführung des Geheimnisschutzes für Zivilprozesse wird nun auch der staatliche Gerichtsbetrieb gestärkt – ein klarer Vorteil für Unternehmen, die in Deutschland prozessieren möchten, ohne dabei Geschäftsgeheimnisse zu gefährden.

Dennoch bleibt die Schiedsgerichtsbarkeit für Fälle attraktiv, bei denen Informationen geschützt werden sollen, die keinen unmittelbaren geschäftlichen Bezug haben und somit nicht unter § 2 Nr. 1 GeschGehG fallen. Der neue Schutz nach § 273a ZPO ist also besonders für wirtschaftlich bedeutende Geschäftsgeheimnisse interessant und dient dem Ziel, den Wirtschaftsstandort Deutschland zu fördern, indem die Effizienz und Attraktivität staatlicher Gerichte gestärkt wird.

Fazit

Mit dem neuen § 273a ZPO eröffnet sich für Unternehmen ein Weg, sensible Informationen auch im Rahmen öffentlicher Zivilprozesse besser zu schützen. Der Paragraph stellt sicher, dass vertrauliche Daten geschützt bleiben, ohne dass Unternehmen in das Dilemma geraten, entweder das Verfahren zu gefährden oder die Offenlegung von Geheimnissen in Kauf nehmen zu müssen. Der neue Geheimnisschutz könnte so eine Wende im Umgang mit geschäftssensiblen Informationen im deutschen Zivilprozess bedeuten und Deutschland als Standort für wirtschaftsrechtliche Verfahren langfristig stärken.