Tenor
Der Bundesgerichtshof (BGH V ZR 79/23) hat entschieden, dass als Wohnung verkaufte Räume im Souterrain eines Altbaus, die bei Übergabe des Besitzes erhebliche Wandfeuchtigkeit aufweisen, regelmäßig weder für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung, noch für die gewöhnliche Verwendung zum Wohnen geeignet und infolgedessen mangelhaft sind.
Zeitskala
Baujahr des Gebäudes: 1904 (!) - Teilsanierung der Wohnungen: 1999 - Verkauf: 2018.
Fragestellung
Können die Käufer Schadensersatz dafür geltend machen, dass sich der Einzug aufgrund bestehender Feuchtigkeit in den Wohnungen verzögert und deshalb weiterhin zur Miete gewohnt wird?
Allgemeines
Wer eine Wohnung kauft hat das Recht, diese zu beziehen. Ist das aus bestimmten Gründen nicht möglich (Wohnung ist nicht geräumt, Schadstoffe im Wohnraum oder etwa wie hier - Feuchtigkeit), stellt sich die Frage nach Schadensersatz. Infrage kommt etwa der Mietzins für die alte Wohnung zuzüglich Nebenkosten. So auch hier. Voraussetzung ist ein Haftungstatbestand. Dieser setzt Verschulden voraus. Im Folgenden die Analyse des BGH:
Spezielles
1. Häufig wenden Verkäufer im Prozess ein, der Käufer habe das Objekt ja besichtigt, gegebenenfalls Unterlagen erhalten, und sei daher umfassend informiert. So auch in diesem Rechtsstreit. Und in der Tat ergaben sich aus dem Exposé des Maklers folgende Informationen für die Käufer:
- Baujahr 1904
- Kernsanierung 1999
- eine Außenwand weist Feuchtemängel auf.
Baujahr und der Feuchtemangel wurden im notariellen Kaufvertrag in den typischen Haftungsausschluss mit aufgenommen.
Die Käufer hatten die Wohnungen mehrfach mit einem Architekten besichtigt. Offensichtliche Mängel waren: sichtbare Probebohrungen, entfernter Putz, entfernter Oberboden, Freilegung der Erde bis unterhalb der Drainage.
2. Man könnte somit denken, der Verkauf sei völlig transparent und die Mängel den Käufern bekannt. Die hier verkürzt dargestellte „Transparenz“ genügt dem BGH allerdings nicht. Dieser stellt schlicht fest:
"Die ... bestehende erhebliche Feuchtigkeit der Wohnungen stellt ... einen Sachmangel ... dar."
Wie ist das möglich? Nun, zunächst stellt das Gericht fest, dass
- nicht jede Feuchtigkeit etwa in einem Keller (!) ein Mangel ist
- der bei Altbauten übliche Standard dann nicht maßgebend ist, wenn die Trockenheit der Räume für deren Verwendung notwendig ist
- Räume im Souterrain dem Wohnen dienen.
Problem "Haftungsausschluss"
Haftungsausschlüsse sind vertraglich zulässig. In notariellen Kaufverträgen sind sie meist schlecht formuliert. Hier zirkulieren teilweise Klauseln, die den aktuellen Rechtsstand nicht wirklich abbilden. Dennoch sind sie tägliche Praxis. Mit einem Haftungsausschluss werden die Hürden der Käufer für ihre Ansprüche deutlich höher. Aber der BGH hilft:
Im konkreten Fall behaupteten die Kläger im Prozess, die Verkäufer hätten ihrem Architekten gegenüber die Beseitigung der Feuchtemängel durch die Gemeinschaft der Wohneigentümer als erledigt erklärt. Dafür wurde dieser als Zeuge benannt. Dem ist das Instanzgericht (OLG Köln) nicht nachgegangen. Das deckt sich mit meinen Erfahrungen. Die Behauptung als wahr unterstellt, läge eine arglistige Täuschung der Verkäufer vor.
Arglist der Verkäufer könne sich aber auch daraus ergeben, dass die Feuchtigkeit für die Käufer eben nicht (ausreichend) erkennbar gewesen ist. In diesem Fall besteht eine erweiterte Offenbarungspflicht der Verkäufer. Das betrifft natürlich nur die nicht sichtbaren Mängel. Im konkreten Fall, so der BGH, sei der wahre Umfang der aufklärungspflichtigen Tatsachen (Feuchtigkeit) nicht gegeben, sondern bagatellisiert worden. In dieser Hinsicht hält der BGH den Informationsstand der Käufer für nicht ausreichend. Wörtlich heißt es im Urteil: „Die selektiven Hinweise waren geeignet, die Erwartung zu wecken, dass die Wohnungen abgesehen von dem konkreten Feuchtigkeitsschaden an einer Wand trocken sind."
Fazit
Die Entscheidung zeigt, dass der Informationsstand des Käufers dem Erwerbszweck entsprechen muss. Mit anderen Worten, wer in der Immobilie wohnen will, muss wissen, ob sie dazu tatsächlich geeignet ist. Gleiches gilt für die gewerbliche Nutzung. Und sobald das Thema „Mängel“ zwischen den Vertragspartei aufkommt, ist nicht nur spezifisch und korrekt, sondern auch umfassend zu informieren. Schädlich für den Verkäufer ist es immer, entscheidungserhebliche Fakten vorzuenthalten.
Schließlich zeigt dieses Urteil, wie wichtig gute vertragliche Klauseln sind. Sind den Parteien Mängel bekannt, ist nach meiner Ansicht für die notarielle Praxis des Haftungsausschlusses kein Raum mehr. Vielmehr muss in diesen Fällen ein gerechter Interessenausgleich zwischen den Parteien vertraglich vereinbart werden.
Ich helfe gerne.