Urteil des OLG Stuttgart vom 29.08.2024, Az. 13 U 176/23:
Eine räumliche Trennung i.S.v. § 1 Abs. 1 FernUSG liegt auch bei einem Online-Unterricht vor, auch wenn eine synchrone Kommunikation zwischen Lehrenden und Lernenden möglich ist.
Was steckt dahinter? Hier ging es konkret um „Business-Mentoring“, was letztlich nichts anderes ist, als „Coaching“, primär mittels Videokonferenzen.
Coaching oft als Schneeballsystem
Coaching ist leider kein feststehender oder gar geschützter Begriff mit klaren Anforderungen. Sowas gibt es für alle möglichen Bereiche, wie Unternehmensberatung („Business Coaches“), E-Commerce (für Amazon oder ähnliche Online-Shop-Systeme), Lebensberatung („Life-Coaches“), Ernähungsberatung („Diät-Coaches“), Liebesberatung („Love-Coaches“ oder auch „Pick-Up-Artists“)…
Oftmals stecken hinter Coaching-Verträgen leider einfach nur Schneeballsysteme, bei denen es darum geht, Kunden zu generieren, denen man dann wieder zeigt, Kunden zu generieren, mit wenig nützlichem Inhalt – insbesondere im Verhältnis zum Preis.
Es gibt auch seriöse Coaches und passende Angebote, das erfordert jedoch genaues Studium des Angebotes und der eigenen Bedürfnisse und ist abhängig von den angebotenen Inhalten, dem Preis, der Art des Vertragsschlusses etc.
Abwicklungsdienste wie CopeCart oder Digistore 24
Oftmals werden die Verträge mittels digitaler Dienste wie CopeCart oder Digistore24 geschlossen.
Abrechnungsunternehmen und Inkassodienste
Oftmals bedienen sich die Coaching-Anbieter Abrechnungsunternehmen oder Inkassodienste wie Creditreform oder Morari Inkasso.
Keine Schriftform für Coaching-Verträge
Coaching Verträge unterliegen grundsätzlich dem normalen Vertragsrecht nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), das die allgemeinen Regeln für Willenserklärungen und Verträge enthält und grundsätzlich die Formfreiheit.
Schriftform gibt es für Coaching-Verträge nicht; das wird oft ausgenutzt und die Verträge werden (fern-)mündlich geschlossen.
Widerruf, Kündigung, Rücktritt oder Anfechtung als Lösungsmöglichkeit bei Coaching-Falle?
Es gibt die Lösungsmöglichkeiten des Rücktritts bei Mangelhaftigkeit oder der Kündigung (außerordentlich bei wichtigem Grund) und vor allem auch der Anfechtung der Willenserklärungen, sei es wegen Irrtums oder arglistiger Täuschung aber auch der Nichtigkeit bei Sittenwidrigkeit. Auch ein Widerrufsrechtkann bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen bestehen.
Widerrufsrecht
Verbrauchern steht bei Fernabsatzverträgen grundsätzlich ein 14-tägiges Widerrufsrecht zu. Wenn der Coaching Vertrag also etwa online geschlossen wurde ist über das Widerrufsrecht ordentlich zu belehren ist. Fehlt es an der ordentlichen Widerrufsbelehrung, besteht das Recht mindestens 1 Jahr!
Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG)
Zudem unterfallen Coaching-Verträge nach Teilen der Rechtsprechung dem sogenannten Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG).
Das FernUSG soll Kunden vor Anbietern schützen, die nicht zugelassen sind, egal, ob es sich um Unternehmer (B2B) oder Verbraucher (B2C) handelt; die danach erforderliche Zulassung weisen die wenigsten Coaches auf.
Damit kann der Coaching-Vertrag bereits hiernach zu widerrufen bzw. zu kündigen oder gleich nach § 7 FernUSG nichtig sein.
Das OLG Stuttgart hat mit Urteil vom 29.08.2024, Az. 3 U 176/23, entschieden, dass der Anwendungsbereich des FernUSG beim Coaching eröffnet ist und eine räumliche Trennung vorliegt, wenn eine synchrone Kommunikation zwischen dem Coach und den Teilnehmern stattfindet. Damit ist der Vertrag automatisch nichtig, wenn keine entsprechende Zulassung vorliegt – der Coach musste über 20.000,00 € Euro an den Kunden zurückzahlen.
Rücktritt
Ein Rücktritt vom Coaching-Vertrag ist denkbar, wenn die vertragsgegenständliche Leistung mangelhaft ist, also nicht dem Versprochenen entspricht, wenn etwa nicht das umfasst ist, was vorher angeboten wurde.
Kündigung
Die außerordentliche Kündigung eines Coaching-Vertrages ist möglich, wenn ein wichtiger Grund hierfür vorliegt, z.B. wenn der Coach massiv gegen seine Vertragspflichten verstößt. Wann dies genau der Fall ist, ist beim Einzelfall im Lichte der aktuellen Rechtsprechung genau zu analysieren.
Anfechtung
Es kann auch eine Anfechtungsmöglichkeit gemäß §§ 119 ff BGB wegen Irrtums beim Vertragsschluss oder gemäß § 121 BGB wegen arglistiger Täuschung gegeben sein, etwa wenn 1:1 Coachings offeriert werden, tatsächlich aber nur Gruppencoachings oder dünne Inhalte zum Download zur Verfügung gestellt werden.
Sittenwidrigkeit
Die Coaching-Verträge können insbesondere wegen Wucher gemäß § 138 BGB nichtig sein, wenn Leistung und Gegenleistung in einem krassen Missverhältnis stehen. Auch hierzu gibt es dezidierte aktuelle Rechtsprechung, etwa vom LG Stuttgart vom 30.10.2023, Az. 30 O 266/22.
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