Onlinegaming
Rückforderung von Spielverlusten
Und wieder hat eine Oberlandesgericht unsere Rechtsauffassung bestätigt.
Das Oberlandesgericht Hamm hat am 02.07.2027 entschieden:
1.
Zu Recht ist das Landgericht davon ausgegangen, dass die deutschen Gerichte gemäß Art. 18 Abs. 1, Art. 17 Abs. 1 EuGVVO international zuständig sind (vgl. BGH, Beschluss vom 22. März 2024 – I ZR 88/23 –, Rn. 10, juris), weil es sich bei den streitgegenständlichen Glücksspielverträgen um Verbraucherverträge im Sinne der vorgenannten Regelungen handelt, was zudem von der Berufung auch nicht angegriffen wird.
2.
Darüber hinaus ist auf den vorliegenden Streitfall deutsches Sachrecht anzuwenden, da ein – hier gegebener – Verbrauchervertrag gemäß Art. 6 Abs. 1 lit. b) Rom-I-VO dem Recht des Staates unterliegt, in dem der Verbraucher seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, sofern der Unternehmer seine berufliche oder gewerbliche Tätigkeit auf diesen Staat ausrichtet und der Vertrag in den Bereich dieser Tätigkeit fällt. Die Voraussetzungen sind bei Spielerklagen gegen ausländische Online-Glücksspielanbieter erfüllt (vgl. BGH, Beschluss vom 22. März 2024 – I ZR
6
88/23 –, Rn. 10, juris; OLG Köln, Urteil vom 17. November 2023 – I-19 U 123/22 –, Rn. 23, juris).
3.
Dem Kläger steht gegenüber der Beklagten gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB ein bereicherungsrechtlicher Rückzahlungsanspruch in geltend gemachter Höhe zu.
a.
Die Beklagte hat die Beträge, die der Kläger als Spieleinsätze an sie gezahlt hat, durch dessen Leistung – also durch die ziel- und zweckgerichtete Mehrung fremden Vermögens – erlangt (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 11, juris).
b.
Die Leistung des Klägers erfolgte auch ohne rechtlichen Grund.
aa.
Die zwischen den Parteien geschlossenen und insofern allein in Betracht kommenden Wettverträge stellten keinen rechtlichen Grund für die vom Kläger bewirkten Leistungen dar. Denn die Beklagte hat durch das öffentliche Angebot von Sportwetten gegen die Regelungen in § 4 Abs. 1, 4 und 5, § 4a Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2012 verstoßen, die ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB darstellen. Denn unstreitig verfügte sie zum fraglichen Zeitpunkt nicht über die zum Veranstalten von Sportwetten erforderliche Konzession (§ 10a Abs. 2 GlüStV). Diese hat sie unstreitig erst am 09.10.2020 erhalten.
Aus diesem Verstoß folgt im vorliegenden Fall die Nichtigkeit der abgeschlossenen Sportwettenverträge.
bb.
Nach der hierzu bislang geäußerten Rechtsauffassung des Bundesgerichthofs, der der Senat folgt, steht das im GlüStV 2012 für Sportwetten vorgesehene Verbot mit Erlaubnisvorbehalt mit dem Unionsrecht in Einklang (BGH, a.a.O., Rn. 15 ff.).
...
(2) Allerdings muss ein Mitgliedstaat bei Einführung eines Glücksspielverbots mit Erlaubnisvorbehalt insbesondere die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 56 AEUV, den Gleichbehandlungsgrundsatz, das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit und das daraus folgende Transparenzgebot beachten. Die Einführung eines Systems der vorherigen behördlichen Genehmigung für das Angebot bestimmter Arten von Glücksspielen in diesem Mitgliedstaat muss auf objektiven und nicht diskriminierenden Kriterien beruhen, die im Voraus bekannt sind und der Ermessensausübung durch die nationalen Behörden zum Schutz vor willkürlichen Entscheidungen hinreichende Grenzen setzen. Zudem muss jedem, der von einer auf einem solchen Eingriff beruhenden Maßnahme betroffen ist, ein wirkungsvoller Rechtsweg offenstehen (vgl. EuGH, GRUR 2013, 524 [juris Rn. 47] - Stanleybet International u.a.; EuGH, Urteil vom 8. September 2010 - C-46/08, ZfWG 2010, 344 [juris Rn. 87] - Carmen Media Group; Urteil vom 4. Februar 2016 - C-336/14, ZfWG 2016, 115 [juris Rn. 55] - Ince; BVerwGE 160, 193 [juris Rn. 45]).
Etwas Anderes folgt auch nicht aus den verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen, die die Beklagte in dieser Hinsicht wiederholt bemüht und die in letzter Instanz in dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) vom 18.06.2018 – 8 B 12/17 – mündeten. Denn die Verwaltungsgerichte haben im Rahmen der von ihnen getroffenen Entscheidungen gerade keine Feststellungen dazu getroffen, ob die seinerzeitigen Verbotsnormen des GlüStV 2012 mit Unionsrecht vereinbar sind oder nicht.
...
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Nichts Anderes folgt aus dem daraufhin ergangenen (Nichtannahme-)Beschluss des BVerwG vom 18.06.2018. Vielmehr arbeitet das BVerwG darin noch einmal den Umfang der vom OVG NRW durchgeführten Prüfung wie folgt heraus (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Juni 2018 – 8 B 12/17 –, Rn. 1, juris):
„Das Berufungsgericht hat auf den Hauptantrag hin festgestellt, dass das Fehlen einer Erlaubnis nach §§ 4, 13 Abs. 2 des nordrhein-westfälischen Ausführungsgesetzes zum Glücksspiel-Staatsvertrag (AG GlüStV NRW) die Klägerin bis zu einer Änderung der Sach- und Rechtslage, insbesondere solange private Anbieter tatsächlich keine Konzessionen nach § 10a Abs. 2 des Glücksspiel-Staatsvertrages (GlüStV) erlangen können und deshalb Vermittlungserlaubnisse in Nordrhein-Westfalen nicht erteilt werden, nicht daran hindert, Sportwetten mit feststehenden Gewinnquoten an im EU-Ausland - mit Ausnahme der Isle of Man - konzessionierte Sportwettenveranstalter zu vermitteln.“
Weiter führt das BVerwG aus, das OVG NRW sei in nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass Erlaubnisse zum Vermitteln von Sportwetten in Nordrhein-Westfalen seinerzeit auf absehbare Zeit tatsächlich nicht zu erlangen gewesen seien, weil der Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zum Vermitteln von Sportwetten in einer Wettvermittlungsstelle gemäß § 22 Abs. 2 GlüSpVO NRW nur von einem Konzessionsnehmer gestellt und nur diesem habe erteilt werden können. Da es jedoch bis zum damaligen Zeitpunkt keine Veranstalter von Sportwetten gegeben habe, denen eine Konzession nach den §§ 4a ff. GlüStV 2012 erteilt worden sei, und da das Konzessionierungsverfahren nicht weiter betrieben worden sei, schließe die genannte Vorschrift der Glücksspielverordnung die Erteilung von Erlaubnissen zur Vermittlung von Sportwetten faktisch aus. In der Folge dauere das staatliche Sportwettenmonopol an. Diese Sach- und Rechtslage sei mit der unionsrechtlichen Dienstleistungsfreiheit, welche nicht nur Veranstalter, sondern auch Vermittler von Sportwetten schütze, unvereinbar; wegen des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts dürfe sie der Klägerin insoweit nicht entgegengehalten werden. Deshalb schließe es der Anwendungsvorrang des Unionsrechts aus, der Klägerin das Fehlen einer Vermittlungserlaubnis entgegenzuhalten, solange die faktische Erlaubnissperre in Nordrhein-Westfalen andauere (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Juni 2018 – 8 B 12/17 –, Rn. 4, juris).
Folglich hat auch das BVerwG keine Feststellungen zur Unionsrechtswidrigkeit der §§ 4, 4a, 10a GlüStV 2012 getroffen, die zu der vom BGH vertretenen und vom Senat für zutreffend erachteten Rechtsauffassung in Widerspruch stehen könnten.
cc.
Die Vorschrift des § 4 Abs. 1, 4 und 5, § 4a Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2012 stellt ein gesetzliches Verbot im Sinne des § 134 BGB dar (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 19, juris), gegen das die Beklagte verstoßen hat, indem sie öffentlich im Internet Sportwetten angeboten hat, ohne im relevanten Zeitraum über die hierfür erforderliche Erlaubnis zu verfügen.
dd.
Aus dem Verstoß gegen das gesetzliche Verbot folgt die Nichtigkeit der zwischen dem Kläger und der Beklagten geschlossenen Sportwettenverträge.
(1)
Der Zweck des gesetzlichen Verbots nach § 4 Abs. 1, 4 und 5, § 4a Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2012, die Bevölkerung auf effektive Weise vor den Gefahren zu schützen, die von öffentlichen Glücksspielen ausgehen, erfordert grundsätzlich die Nichtigkeit der auf Grundlage eines Internetangebots unter einseitigem Verstoß gegen die Erlaubnispflicht geschlossenen Glücksspielverträge. Über das Internet angebotene Spiele weisen wegen des Fehlens eines unmittelbaren Kontakts zwischen Verbraucher und Anbieter und einer sozialen Kontrolle sowie wegen der Anonymität und Isolation der Spieler ein besonderes Gefährdungspotential für jugendliche und spielsuchtgefährdete oder spielsüchtige Verbraucher auf, das mit erhöhten Betrugsrisiken einhergeht. Dabei fällt insbesondere auch die für das Internet typische besonders leichte und ständige Zugänglichkeit zu einem sehr großen internationalen Spielangebot ins Gewicht. Ginge man von der zivilrechtlichen Wirksamkeit der verbotenen Glücksspielverträge aus und verwiese die Spieler lediglich auf Schadensersatzansprüche, wenn es im Einzelfall zu einer Verletzung ihrer geschützten Interessen kommt, wie etwa bei fehlender Rücksichtnahme auf die Schutzbedürftigkeit des Spielers oder bei Manipulation des Spiels, bliebe der mit dem GlüStV 2012 angestrebte Schutz der Bevölkerung unzureichend. Durch verwaltungs- und strafrechtliche Maßnahmen kann dem gesetzlichen Verbot kein hinreichender Nachdruck verliehen werden. Unerlaubte Glücksspiele im Internet werden überwiegend aus dem Ausland angeboten. Diese Anbieter können sich auf diese Weise dem Zugriff deutscher Verwaltungs- und Strafverfolgungsbehörden weitgehend entziehen. Sehen sich diese Anbieter dem Risiko ausgesetzt, die Einsätze der Spieler zurückzahlen zu müssen, leistet dies einen erheblichen Beitrag dazu, unerlaubte Glücksspiele zurückzudrängen und so die Ziele des Glücksspielstaatsvertrags zu erreichen (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 30 ff., juris mwN).
(2)
...
Der Verstoß des Sportwettenangebots der Beklagten gegen das gesetzliche Verbot des § 4 Abs. 5 Nr. 2 GlüStV 2012 erfordert die Nichtigkeit der mit dem Kläger geschlossenen Sportwettenverträge. Der Zweck des Verbotsgesetzes ist in diesem Fall nicht anders zu erreichen als durch die zivilrechtliche Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB.
Dagegen spricht nicht, dass bei einem erlaubten Sportwettenangebot aus dem Verstoß gegen die Auflage möglicherweise keine Nichtigkeit des Sportwettenvertrags folgt. Denn vorliegend hat die Beklagte unmittelbar gegen das gesetzliche Verbot des § 4 Abs. 1, 4 und 5, § 4a Abs. 1 Satz 2 GlüStV 2012 verstoßen. Anders als im Fall eines Verstoßes (nur) gegen Auflagen in einer Konzession kann die Einhaltung des Höchsteinsatzes nach § 4 Abs. 5 Nr. 2 GlüStV 2012 bei einem Wettanbieter, der keine Konzession besitzt, nicht von der zuständigen Behörde überwacht und durchgesetzt werden (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 52 f., juris).
Es ist zudem unerheblich, ob sich der Verstoß der Beklagten gegen § 4 Abs. 5 Nr. 2 GlüStV 2012 konkret auf die mit dem Kläger geschlossenen Sportwettenverträge ausgewirkt hat, also jeder einzelne Wettvertrag unter Verstoß gegen den monatlichen Höchsteinsatz von 1.000,00 € zustande gekommen ist. Entscheidend ist vielmehr, dass das Sportwettenangebot im maßgeblichen Zeitraum nach den gemäß § 529 ZPO bindenden Feststellungen des Landgerichts schon grundsätzlich nicht erlaubnisfähig war (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 54, juris).
Das Unionsrecht gebietet es nicht, materiell nicht erlaubnisfähige Sportwettenangebote zivilrechtlich als wirksam zu behandeln. Die Beklagte kann aus einer Unvereinbarkeit des Konzessionserteilungsverfahrens mit dem Unionsrecht keine Rechte herleiten, die sie auch in einem unionsrechtskonformen Konzessionserteilungsverfahren nicht hätte erlangen können. Das Unionsrecht lässt es zu, ein erlaubtes Sportwettenangebot durch effektive Vorschriften zum Schutz der Bevölkerung zu begrenzen. Der einzelne Mitgliedstaat ist lediglich gehalten, Entscheidungen über Genehmigungsanträge auf der Grundlage objektiver und nichtdiskriminierender Kriterien zu treffen. Einen bestimmten Inhalt dieser Entscheidungen gibt ihm das Unionsrecht indes nicht vor (vgl. BGH, a.a.O., Rn. 55, juris).
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(bb)
Darüber hinaus gilt das zu § 4 Abs. 5 Nr. 2 GlüStV 2012 soeben Ausgeführte gleichermaßen für den Ausschluss von sogenannten Live-Wetten auf einzelne Vorgänge während des laufenden Sportereignisses (§ 21 Abs. 4 Satz 2, Satz 3 Halbsatz 2 GlüStV 2012), die die Beklagte im streitgegenständlichen Zeitraum unstreitig angeboten und die der Kläger unstreitig angenommen hat. So platzierte der Kläger während des laufenden Spielbetriebs etwa Wetten auf das Torverhältnis zur Halbzeitpause und Wetten auf das nächste Tor. Derartige Wetten waren indes – anders als die Beklagte dies sieht – nach § 21 Abs. 4 GlüStV 2012 „ausgeschlossen“. Zwar trifft es zu, dass gemäß § 21 Abs. 1 GlüStV 2012 auch Wetten auf den Ausgang von Abschnitten von Sportereignissen (Halbzeitstände, etc.) erlaubt werden konnten. Allerdings war es nach der damaligen Gesetzeslage nur zulässig, derartige Wetten im Vorfeld eines Sportereignisses zu platzieren. Denn gemäß § 21 Abs. 4 Satz 2 und 3 GlüStV waren Wetten während des laufenden Sportereignisses (ausschließlich) mit Ausnahme von Wetten auf das Endergebnis unzulässig.
Der Senat sieht sich vor dem Hintergrund der insoweit klaren gesetzlichen Regelung in § 21 Abs. 4 GlüStV auch durch die von der Beklagten zitierten – nicht bindenden – Vollzugsleitlinien des Glücksspielkollegiums vom 28.01.2016 nicht zu einer anderen Rechtsauffassung veranlasst.
Ob und inwieweit derartige Live-Wetten nach dem inzwischen geänderten materiellen Glücksspielrecht zulässig sind (vgl. § 21 Abs. 4 GlüStV 2021), worauf die Beklagte insoweit auch abstellt, ist unerheblich, da sich die Erlaubnisfähigkeit des seinerzeit bestehenden Wettangebots nur anhand der seinerzeit geltenden Regelungen bestimmen lässt.
ee.
Es kann auch nicht von einem Erlaubnisäquivalent etwa in Form einer aktiven Duldung ausgegangen werden.
Das Nichtigkeitsverdikt wird durch eine etwaige passive oder aktive Duldung des Internet-Sportwettenangebots der Beklagten durch die für eine etwaige Ahndung zuständigen Behörden ebenso wenig in Frage gestellt wie durch verwaltungsgerichtliche Entscheidungen, kraft derer eine Einschätzung der Beklagten, es sei mit behördlichen Maßnahmen gegen ihr Internet-Sportwettenangebot nicht zu rechnen, gerechtfertigt gewesen sein mag.
(1)
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Die Frage der Duldung durch Verwaltungsbehörden kann deshalb dahinstehen, weil der durch zivilrechtliche Anspruchsgrundlagen gewährte Schutz privater (natürlicher oder juristischer) Personen einerseits und die Frage der verwaltungsbehördlichen Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Verhaltenspflichten andererseits grundsätzlich unabhängig voneinander zu beantworten sind. Der Bestand und die Durchsetzbarkeit eines zivilrechtlichen Anspruchs hängt nicht davon ab, ob mit einer Durchsetzung öffentlich-rechtlicher Verhaltenspflichten seitens der zuständigen Behörden zu rechnen ist, weshalb eine Berufung darauf, die zuständige Verwaltungsbehörde sei gegen einen Gesetzesverstoß nicht vorgegangen, zivilrechtlich nicht verfängt und insbesondere der Anwendung von § 134 BGB nicht entgegensteht. Selbst wenn in Zusammenhang mit einer Duldung öffentlich-rechtliche Sanktionen nicht hätten erfolgen können und/oder die materiellen Voraussetzungen einer Erlaubniserteilung vorlagen und/oder ein Anspruch auf Erteilung einer Konzession bestanden hätte, so führte dies demgemäß nicht dazu, dass ohne tatsächliche Konzessionserteilung oder in der Zeit vor Erteilung in dem allein zivilrechtlich zu bewertenden Verhältnis zum spielenden Verbraucher zu dessen Nachteil der Schutz des GlüStV 2012 entfiele und aus dem verbotenen Angebot eines Online-Glücksspiels bereits ein erlaubtes Online-Glücksspiel würde (vgl. OLG Köln, Urteil vom 17. November 2023 – I-19 U 123/22 –, Rn. 33, juris).
(2)
Abweichendes lässt sich auch nicht aus dem Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung herleiten, da dieser einer unterschiedlichen Erfassung eines Lebenssachverhaltes im öffentlich-rechtlichen Regelungskontext gegenüber der Behandlung in Zusammenhang mit der Frage des Eingreifens einer zivilrechtlichen Anspruchsgrundlage nicht entgegensteht. Der Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung als Ausfluss des Rechtsstaatsprinzips verpflichtet die rechtsetzenden Organe des Bundes und der Länder, die Inhalte von Rechtssätzen so aufeinander abzustimmen, dass den Normadressaten keine gegenläufigen Regelungen erreichen (BVerfG, Urteil vom 07.05.1998 - 2 BvR 1991/95, juris, Rn. 58). Dieser Grundsatz ist jedoch nicht verletzt, wenn der Normgeber mit abweichenden Regelungen der Eigenart der verschiedenen Regelungsbereiche Rechnung trägt, was insbesondere unterschiedliche Wertungen im Zivilrecht gegenüber dem öffentlichen Recht rechtfertigen kann (vgl. hierzu eingehend: OLG, a.a.O., Rn. 34 ff., juris).
(3)
Danach kommt es nicht entscheidend darauf an, ob – wie die Beklagte behauptet – eine aktive Duldung der staatlichen Behörden gegenüber dem Wettangebot der Beklagten vorgelegen hat, wonach keine Untersagungsanordnung, Bußgeld- oder Strafverfolgung erfolgt ist, weil das Wettangebot der Beklagten wegen einer (verwaltungsrechtlichen) Konzessionsanwartschaft des Bet365-Konzerns als
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rechtmäßig angesehen wurde, was schlussendlich durch die Lizenzerteilung am 09.10.2020 bestätigt worden sei. Ebenso wenig verfängt der Verweis darauf, dass das Verwaltungsgericht Wiesbaden mit dem von der Beklagten in Bezug genommenen Urteil vom 15.04.2016 das in diesem Verfahren beklagte Land dazu verpflichtet hat, einer Konzessionsbewerberin und Anbieterin von Online-Sportwetten auf ihre dahingehende Klage eine für sieben Jahre gültige Konzession zur Veranstaltung von Sportwetten zu erteilen.
c.
Die Rückforderung ist nicht nach § 762 Abs. 1 Satz 2 BGB ausgeschlossen, da diese Regelung nur dann anzuwenden ist, wenn der Spiel- oder Wettvertrag wirksam ist.
Verstößt der Spiel- oder Wettvertrag dagegen – wie hier – gegen ein gesetzliches Verbot, ist der Rückforderungsausschluss nach § 762 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht anwendbar (vgl. OLG Köln, Urteil vom 17. November 2023 – I-19 U 123/22 –, Rn. 37, juris unter Verweis auf BGH, Urteil vom 12.07.1962 - VII ZR 28/61, juris, Rn. 15; Laukemann in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Auflage, Stand: 14.07.2023, § 762 BGB, Rn. 42; Haertlein in: BeckOGK-BGB, Stand: 01.07.2023, § 762 BGB, Rn. 116).
d.
Der Anspruch ist auch nicht gemäß § 814 BGB oder § 817 Satz 2 BGB ausgeschlossen.
aa.
Die vom Landgericht zutreffend als darlegungs- und beweisbelastet angesehene Beklagte hat nicht nachgewiesen, dass der Kläger bei der Leistung gewusst hat, zu dieser nicht verpflichtet zu sein (§ 814 BGB), dass ihm ein Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten zur Last fällt (§ 817 Satz 2 BGB) oder dass er sich dieser Erkenntnis leichtfertig verschlossen hat.
(1)
Der auch auf die Leistungskondiktion anwendbare § 817 Satz 2 BGB setzt voraus, dass der Leistende vorsätzlich, also bewusst verbotswidrig oder sittenwidrig gehandelt hat. Dem steht es gleich, wenn er sich der Einsicht in das Verbotswidrige oder Sittenwidrige seines Handelns leichtfertig verschlossen hat (Grüneberg/Sprau, BGB, 82. Aufl. (2023), § 817 Rn. 12 und 17 m.w.N.). Bei der Rückabwicklung soll keinen Rechtsschutz in Anspruch nehmen können, wer sich selbst durch gesetz- oder sittenwidriges Handeln außerhalb der Rechtsordnung stellt (BGH, Urteil vom 02.12.2021 - IX ZR 111/20 -, ZInsO 2022, 309, juris Rn. 31).
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(2)
Der Kläger ist seiner sekundären Darlegungslast nachgekommen, indem er im Rahmen seiner persönlichen Anhörung im landgerichtlichen Verhandlungstermin vom 03.11.2022 nachvollziehbar vorgetragen hat, von der Illegalität der Wetten zum fraglichen Zeitpunkt keine Kenntnis gehabt, sondern hiervon erst im Rahmen seiner im Jahr 2020 begonnen Suchttherapie erfahren zu haben. Insbesondere habe er sich zu keinem Zeitpunkt im Austausch mit anderen Spielern – etwa in Chatforen o. Ä. – befunden und auf diese Weise Kenntnis von der Illegalität der von den Beklagten unterbreiteten Wettangeboten erlangt. Er sei vielmehr davon ausgegangen, dass das im Internet frei zugängliche Angebot der Beklagten, das einen uneingeschränkt seriösen Eindruck vermittelt habe und für dessen Nutzung er sich als deutscher Spieler habe registrieren müssen, erlaubt sei.
Etwas Anderes ergibt sich insbesondere nicht aus der Medienberichterstattung sowie den von der Beklagten zitierten Ergebnissen einer Internetrecherche (Chatforen-Beiträge, Rechtstipps von spezialisierten Anwaltskanzleien, o. Ä.), zumal weder dargetan noch sonst ersichtlich ist, dass der Kläger diese kannte. Im Gegenteil zeigt gerade der eigene Vortrag der Beklagten zur – von ihr behaupteten – Legalität ihres Angebots, dass die Rechtslage für den Kläger nicht eindeutig gewesen sein musste. Insbesondere kann der Inhalt der §§ 4, 4a, 10a GlüStV 2012 bei einem juristischen Laien nicht ohne weiteres als bekannt vorausgesetzt werden. Von einer Verwirklichung des Straftatbestandes des § 285 StGB durch den Kläger kann daher ebenfalls nicht ausgegangen werden (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 22. Dezember 2023 – 19 U 7/23 –, Rn. 82, juris; OLG Köln, Urteil vom 17. November 2023 – I-19 U 123/22 –, Rn. 38 - 43, juris).
(3)
Eine Verletzung der Aufklärungs- und Hinweispflicht (§ 139 ZPO) durch das Landgericht ist insoweit nicht ersichtlich. Vielmehr war die Frage, ob und inwieweit der Kläger Kenntnis von der Illegalität der streitgegenständlichen Wettverträge hatte, zwischen den Parteien umstritten und hinreichend thematisiert. Ungeachtet dessen dürfte die Aufklärungsrüge der Klägerin nicht ordnungsgemäß erhoben worden sein, da sie in der Berufungsbegründung nicht ausreichend darlegt hat, welchen Vortrag sie in Verkennung der Rechtslage unterlassen hat (vgl. BGH, Urteil vom 9. Oktober 2003 – I ZR 17/01 –, Rn. 19, juris).
bb.
Angesichts der vorstehenden Erwägungen kann offenbleiben, ob § 817 Satz 2 BGB in Fällen wie dem Vorliegenden teleologisch zu reduzieren ist (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 22. Dezember 2023 – 19 U 7/23 –, Rn. 83, juris; für eine teleologische Reduktion: OLG Köln, Urteil vom 17. November 2023 – I-19 U 123/22 –, Rn. 43, juris;
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OLG Dresden, Urteil vom 27.10.2022 – 10 U 736/22 -, juris, Rn. 58; OLG München, Beschluss vom 20.09.2022 – 18 U 538/22 –, juris, Rn. 24; vgl. auch BGH, Urteil vom 13.03.2008 – III ZR 282/07-, NJW 2008, 1942 zu sog. Schenkkreisen).
e.
Die Beklagte kann sich auch nicht mit Erfolg auf Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB berufen.
Denn sie trifft die verschärfte Haftung nach § 819 Abs. 2 BGB. Danach ist ein Empfänger, der durch die Annahme der Leistung – wie hier – gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, von dem Empfang der Leistung an zur Herausgabe verpflichtet, wie wenn der Anspruch auf Herausgabe zu dieser Zeit rechtshängig geworden wäre. Die Beklagte hat – wie bereits dargelegt – mit dem Empfang der Spieleinsätze des Klägers gegen das gesetzliche Verbot des § 4 Abs. 4 GlüStV 2012 verstoßen (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 27. Oktober 2022 – 10 U 736/22 –, Rn. 77, juris).
4.
Der geltend gemachte Zinsanspruch folgt in zuerkannter Höhe aus § 288 Abs. 1 Satz 2, § 291 BGB.
5.
Nach alledem führen auch die Ausführungen der Beklagten in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 28.06.2024, mit dem sie noch einmal zusammenfasst, warum aus ihrer Sicht die in dem Beschluss vom 22.03.2024 – I ZR 88/23 – zum Ausdruck kommende Rechtsauffassung des BGH unzutreffend sein soll, zu keiner anderen rechtlichen Bewertung und geben dem Senat keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung nach § 156 ZPO.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 709 Satz 2, § 711 ZPO.
Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 ZPO zuzulassen, da die Sache grundsätzliche Bedeutung hat. Zwar hat der BGH seine Rechtsauffassung zu den auch hier streitentscheidenden Fragestellungen in dem jüngst veröffentlichten und der vorliegenden Entscheidung des Senats maßgeblich zugrundeliegenden Beschluss vom 22.03.2024 – I ZR 88/23 – eingehend dargelegt. Allerdings existiert bis zum heutigen Tag kein rechtskraftfähiges Urteil des obersten deutschen Zivilgerichts über
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einen vergleichbaren Sachverhalt, so dass die sich stellenden Rechtsfragen nach Ansicht des Senats nicht als bereits höchstrichterlich geklärt angesehen werden können.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren endgültig auf bis zu 65.000,00 € festgesetzt.
Ende des Urteils.
Nun bleibt abzuwarten, ob die Gegenseite zahlt, oder ob wir in die Vollstreckung gehen müssen.
Obwohl Malta derzeit bei der Vollstreckung von Urteilen gegen Glücksspielunternehmen mit maltesischer Lizenz Schwierigkeiten macht, sind wir zuversichtlich, dass wir auch diesmal erfolgreich sein werden.
Dr. Hübner
Rechtsanwalt
03/07/2024