Wenn von ordentlichen Hauptversammlungen der Gesellschaften in der Türkei die Rede ist, stellt sich häufig die Frage, ob diese zwingend abgehalten werden müssen und ob es eine Frist gibt, innerhalb derer sie abgehalten werden müssen. Um diese Frage zu beantworten, werfen wir einen Blick auf die einschlägigen Bestimmungen des türkischen Handelsgesetzbuches.


Das türk. Handelsgesetzbuch regelt die Hauptversammlungen von Handelsgesellschaften im vierten Teil. In diesem Teil ist insbesondere Artikel 409 von Bedeutung. Der erste Absatz dieses Artikels lautet
"(1) Es werden ordentliche und außerordentliche Generalversammlungen abgehalten. Die ordentliche Hauptversammlung findet innerhalb von drei Monaten nach Ablauf eines jeden Geschäftsjahres statt. In dieser Versammlung wird über die Wahl der Organe, die Feststellung des Jahresabschlusses, den Jahresbericht des Verwaltungsrates, die Art der Gewinnverwendung, die Festsetzung der Gewinnverteilung und des Ausschüttungssatzes, die Entlastung der Mitglieder des Verwaltungsrates sowie über sonstige notwendige und wichtige Angelegenheiten beraten und beschlossen.
Das Gesetz sieht nicht vor, dass die ordentliche Hauptversammlung von Aktiengesellschaften fakultativ ist. Vielmehr ist klar geregelt, dass sie innerhalb von drei Monaten nach Ablauf eines jeden Geschäftsjahres stattfinden muss.


Wie sieht es bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) aus? Ein weit verbreiteter Irrtum ist, dass die Pflicht zur Abhaltung einer ordentlichen Hauptversammlung nur für Aktiengesellschaften, nicht aber für GmbHs gilt. Dieser Irrtum beruht auf der Tatsache, dass die Protokolle der ordentlichen Gesellschafterversammlungen von GmbHs in der Regel nicht im Handelsregister eingetragen und veröffentlicht werden müssen. Das türk. Handelsgesetzbuch sieht diese Verpflichtung jedoch auch für GmbHs vor. Der vollständige Wortlaut des entsprechenden Paragrafs lautet wie folgt
"(1) Die Generalversammlung wird von den Geschäftsführern einberufen. Die ordentliche Gesellschafterversammlung findet alljährlich innerhalb von drei Monaten nach Schluss des Geschäftsjahres statt. Nach Maßgabe der Satzung und bei Bedarf wird die Generalversammlung zu einer außerordentlichen Sitzung einberufen.
(2) Die Einberufung der Generalversammlung hat mindestens fünfzehn Tage vor dem Tage der Versammlung zu erfolgen. Die Satzung kann diese Frist bis auf zehn Tage verlängern oder verkürzen.
(3) Hinsichtlich der Einberufung, des Minderheitsverlangens, der Tagesordnung, der Anträge, der außerordentlichen Hauptversammlung, der vorbereitenden Maßnahmen, der Niederschrift und der unbefugten Teilnahme sind die Vorschriften für Aktiengesellschaften mit Ausnahme der Vorschriften über den Vertreter des Ministeriums entsprechend anzuwenden. Jeder Gesellschafter kann sich in der Gesellschafterversammlung durch eine Person, die Gesellschafter sein kann oder nicht, vertreten lassen.
(4) Beschlüsse der Hauptversammlung können, sofern nicht ein Gesellschafter mündliche Beratung verlangt, auch dadurch gefasst werden, dass die übrigen Gesellschafter dem Antrag eines Gesellschafters zu einem Punkt der Tagesordnung schriftlich zustimmen. Zur Gültigkeit des Beschlusses ist die Zustimmung aller Gesellschafter zu demselben Antrag erforderlich
."
Auch die GmbH ist also verpflichtet, innerhalb von drei Monaten nach Ablauf des Geschäftsjahres eine ordentliche Gesellschafterversammlung abzuhalten. Die Vorschriften über das Einberufungsverfahren, die Protokollierung und die unbefugte Teilnahme entsprechen denen der Aktiengesellschaft. Bei der GmbH besteht jedoch die Möglichkeit, Beschlüsse auch ohne Versammlung durch schriftliche Zustimmung aller Gesellschafter zu fassen.


WAS PASSIERT, WENN DIE GENERALVERSAMMLUNG NICHT STATTFINDET?

Eine häufig gestellte Frage ist, ob es Sanktionen gibt, wenn die ordentliche Hauptversammlung nicht stattfindet. 
Der oben zitierte § 409 Abs. 1 des türk. HGBs nennt auch die obligatorische Tagesordnung der Hauptversammlung. Ein zentrales Element ist dabei die Entlastung der Vorstandsmitglieder. Die Mitglieder des Verwaltungsrates, die im Laufe eines Geschäftsjahres im Namen der Gesellschaft Verträge unterzeichnen, Projekte entwickeln, Beschlüsse fassen und umsetzen, können von ihrer Verantwortung gegenüber der Generalversammlung nur durch die Entlastung in der ordentlichen Generalversammlung befreit werden. In dieser werden auch die vom Vorstand erstellten Jahresberichte diskutiert, über die Gewinnverwendung entschieden und Maßnahmen für das kommende Geschäftsjahr beraten.
Antwort auf die Frage, ob es Sanktionen gibt: Nein, es gibt keine gesetzlichen Sanktionen für die nicht fristgerechte oder nicht durchgeführte ordentliche Hauptversammlung. Das Gesetz sieht jedoch vor, dass die Vorstände von Aktiengesellschaften für maximal drei Jahre gewählt werden können. Daher müssen mindestens alle drei Jahre Hauptversammlungen abgehalten werden, um die notwendigen Beschlüsse zu fassen und die Vorstandsmitglieder neu zu bestellen. Bei Gesellschaften mit beschränkter Haftung kann sich die Situation etwas anders darstellen, wobei zu beachten ist, dass einige Handelsregisterämter andere Eintragungsgesuche ohne Vorlage der Unterlagen zur ordentlichen Generalversammlung nicht berücksichtigen.


VORBEREITUNG DER ORDENTLICHEN HAUPTVERSAMMLUNG
Auch wenn keine Sanktionen drohen, sollte die Vorbereitung der ordentlichen Hauptversammlung nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Gemäß § 199 des türk. Handelsgesetzbuches hat der Vorstand eines verbundenen Unternehmens innerhalb der ersten drei Monate des Geschäftsjahres einen Bericht über die Beziehungen des Unternehmens zum Mutterunternehmen und zu verbundenen Unternehmen zu erstellen.
Diese Pflicht zur Erstellung eines Abhängigkeitsberichts gehört zu den unübertragbaren Aufgaben des Vorstands.
Gemäß § 375 Abs. f:"die Führung der Aktienbücher, der Bücher über die Beschlüsse des Verwaltungsrates und der Generalversammlung sowie der Verhandlungsschriften, die Erstellung des Geschäftsberichtes und der Erklärung zur Corporate Governance und deren Vorlage an die Generalversammlung, die Vorbereitung der Generalversammlungen und die Ausführung ihrer Beschlüsse".
Während die Durchführung der ordentlichen Hauptversammlungen nicht sanktioniert wird, wird die Nichtvorlage des Abhängigkeitsberichts sanktioniert. Gemäß § 562/3 wird die Nichtbeachtung der Absätze 1 und 4 des § 199 mit einer gerichtlichen Geldstrafe von mindestens zweihundert Tagen geahndet.
Die Pflicht zur Erstellung des Abhängigkeitsberichts obliegt jedoch dem Verwaltungsrat der Tochtergesellschaft. An dieser Stelle sei nochmals auf die Definition der Tochtergesellschaft hingewiesen.
§ 195: a) Eine Handelsgesellschaft ist eine Tochtergesellschaft einer anderen Handelsgesellschaft, wenn sie direkt oder indirekt
über die Mehrheit der Stimmrechte verfügt oder das Recht hat, die Mehrheit der Mitglieder des Verwaltungsorgans zu wählen, oder aufgrund eines Vertrags oder einer anderen Vereinbarung die Mehrheit der Stimmrechte kontrolliert.
Der Bericht über die Konzernzugehörigkeit ist innerhalb von drei Monaten nach Abschluss des Geschäftsjahres und in jedem Fall 15 Tage vor der ordentlichen Hauptversammlung zu erstellen. Dieser Bericht ist der Hauptversammlung 15 Tage vor dem Versammlungstermin in einer der Hauptversammlung mitzuteilenden Form zur Prüfung vorzulegen.
Eine weitere Pflicht, die dem Verwaltungsrat auferlegt wird, ist die Erstellung eines Jahresberichts. Gemäß § 16 der Verordnung über den Mindestinhalt des Jahresberichts der Gesellschaften muss dieser Bericht, der innerhalb von zwei Monaten nach Abschluss des Geschäftsjahres zu erstellen und der Hauptversammlung zur Prüfung vorzulegen ist, ebenfalls den in der genannten Verordnung festgelegten Mindestinhalt aufweisen.
Die oben genannten Berichte sind die Pflichten, die den Verwaltungsratsmitgliedern vor der ordentlichen Hauptversammlung auferlegt werden. Darüber hinaus können je nach Tagesordnung und Gesellschaftsform weitere Vorbereitungen vor der Hauptversammlung erforderlich sein. Die Dauer und der Inhalt der Vorbereitungen unterscheiden sich insbesondere für Hauptversammlungen von Aktiengesellschaften, deren Gründung und Satzungsänderung der Genehmigung bedürfen, für Gesellschaften, deren Tagesordnung eine Kapitalerhöhung, eine Kapitalherabsetzung, eine Änderung des Tätigkeitsbereichs, eine Verschmelzung, eine Spaltung, eine Änderung der Gesellschaftsform vorsieht, den Übergang zum System des eingetragenen Kapitals, den Austritt aus dem System des eingetragenen Kapitals und die Erhöhung des Höchstbetrags des eingetragenen Kapitals vorsieht, sowie für Gesellschaften, deren Hauptversammlungen im Ausland oder auf elektronischem Wege abgehalten werden, sofern die Teilnahme des Vertreters des Ministeriums für Zoll und Handel erforderlich ist.
Bei Hauptversammlungen, die ohne Einberufung abgehalten werden, stellt dies kein größeres Problem dar, aber wenn das Einberufungsverfahren gemäß der Satzung der Gesellschaft oder dem türk. Handelsgesetzbuch durchgeführt wird, wenn die Satzung einen Verweis darauf enthält, sollten auch die Veröffentlichungsfristen im türk. Handelsregisterblatt berücksichtigt werden.