Wozu braucht man einen Auskunftsanspruch im Pflichtteilsrecht?
Die Kernfrage des Pflichtteilsrechts ist die Ermittlung des Nachlasses (inklusive des für den Pflichtteilsergänzungsanspruch relevanten fiktiven Nachlasses). Dabei ist der Pflichtteilsberechtigte in der Regel auf die Mitwirkung des Erben angewiesen, der seinerseits davon profitiert, je niedriger der Nachlasswert ist, da in diesem Fall auch der durch ihn zu zahlende Pflichtteilsanspruch geringer ausfällt. Diese - nicht einfache - Gemengelage versucht der Gesetzgeber in § 2314 BGB zu regeln, indem der Pflichtteilsberechtigte einen Auskunftsanspruch gegen den Erben erhält.
Wie wird der Auskunftsanspruch erfüllt?
Der Erbe beziehungsweise die Erbin oder die Erbengemeinschaft müssen den Auskunftsanspruch durch Vorlage eines Nachlassverzeichnisses erfüllen. Das Verzeichnis muss alle Aktiva und Passiva des Erblassers im Zeitpunkt seines Todes aufführen. Das beinhaltet insbesondere den vorhandenen Grundbesitz, Geldvermögen (Bargeld, Kontovermögen, Wertpapiere, Sparbücher), Schmuck und Gesellschaftsanteile. Das Gesetz unterscheidet dabei nicht zwischen werthaltigem und wertlosem Vermögen, so dass im Grundsatz jegliche Vermögenswerte angeben sind. Dies ist häufig beispielsweise Hausrat. Der Hintergrund ist der, dass es nicht im Ermessen des Erben sein darf, ob er Vermögenswerte ansetzt oder nicht, da er hierdurch - gegebenenfalls treuwidrig - den Anspruch des Pflichtteilsberechtigten beeinflussen könnte.
Müssen auch Schenkungen mitgeteilt werden?
Nach § 2325 BGB steht dem Pflichtteilsberechtigten neben dem Pflichtteilsanspruch am Nachlassbestand auch der sogenannte Pflichtteilsergänzungsanspruch zu. Nach diesem steht dem Berechtigten entsprechend seiner Quote auch ein Anspruch auf Zahlung im Hinblick auf lebzeitige Schenkungen des Erblassers zu. Dementsprechend sind auch Schenkungen des Erblassers - unabhängig davon, ob an den Erben oder einen anderen Dritten - ebenfalls im Nachlassverzeichnis (im Rahmen des sogenannten "fiktiven Nachlasses") anzugeben.
Muss ein Sachverständigengutachten vorgelegt werden?
Durch die Übermittlung des Nachlassverzeichnisses soll der Pflichtteilsberechtigte in die Lage versetzt werden, einen Überblick über den Nachlass zu erhalten. Um seinen Anspruch allerdings beziffern zu können, muss er auch wissen, wie viel die einzelnen Nachlassgegenstände wert sind. Hierfür steht ihm ein sogenannter Wertermittlungsanspruch zur Hand. Dies ist insbesondere im Hinblick auf Immobilienvermögen oder Gesellschaftsanteile relevant. In diesen Fällen muss ein Sachverständigengutachten vorgelegt werden. Der Wertermittlungsanspruch ergibt sich aus § 2314 Absatz 1 Satz 2 BGB.
Welche Auskunft muss der Pflichtteilsberechtigte geben?
Doch auch der Pflichtteilsberechtigte muss gegebenenfalls Auskünfte erteilen, sofern er selbst Schenkungen vom Erblasser erhalten hat, da diese möglicherweise auf seine Ansprüche anzurechnen sind.
Welche Form muss das Nachlassverzeichnis haben?
Ob das Nachlassverzeichnis lediglich privatschriftlich erteilt oder durch einen Notar erstellt wird, ist die Entscheidung des Pflichtteilsberechtigten. Häufig wird sich die Frage stellen, ob sich der finanzielle Mehraufwand durch ein notarielles Nachlassverzeichnis lohnt. Der Bundesgerichtshof hat neulich eine instruktive Entscheidung zum Spannungsfeld zwischen privatschriftlichem und notariellem Nachlassverzeichnis veröffentlicht.
Zumindest muss der Pflichtteilsberechtigte nicht befürchten, dass er durch die Vorlage eines notariellen Nachlassverzeichnisses möglicherweise Ansprüche auf Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung gegen den Erben verliert (so eine neue Entscheidung des OLG Bamberg).
Gerade die jüngeren Entscheidungen der Gerichte zeigen, dass der Teufel - wie so häufig - im Detail steckt. Gerne beraten unsere sherb Rechtsanwälte und Fachanwälte für Erbrecht aus Frankfurt und Berlin Sie bundesweit hierzu sowie zu sämtlichen weiterführenden Fragen des Pflichtteilsrechts und des Erbrechts.