1. Der Pflichtteil als Risiko für die Nachfolge

Das Pflichtteilsrecht in den §§ 2303 ff. BGB sichert den nächsten Angehörigen eine Mindestteilnahme am Vermögen des Erblassers und beschränkt dadurch wirtschaftlich dessen Testierfreiheit. 

Pflichtteilsberechtigt sind die Abkömmlinge und der Ehegatte des Erblassers, sowie die Eltern, falls keine Abkömmlinge vorhanden sind.

Der Pflichtteil beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Beispiel: der Erblasser war im gesetzlichen Güterstand verheiratet und hinterlässt seinen Ehegatten sowie zwei Kinder. Der gesetzliche Erbteil des Ehegatten beträgt 1/2 und dessen Pflichtteil 1/4, der gesetzliche Erbteil der Kinder je 1/4 und deren Pflichtteil je 1/8. 

Im Rahmen von Unternehmensnachfolgen kann der Pflichtteil ein ernst zu nehmendes Risiko darstellen:

  • Gerade im Mittelstand und bei Familienunternehmen ist die Konstellation häufig so, dass nur ein Angehöriger als Nachfolger für die Firma in Betracht kommt. 
  • Gleichzeitig ist der Großteil des Vermögens im Unternehmen gebunden (das der Nachfolger erhält) und es besteht kein ausreichendes Privatvermögen, um die durch den Pflichtteil vorgeschriebene Mindestteilhabe der weiteren Pflichtteilsberechtigten vollständig auszugleichen. 
  • Wenn diese nun Pflichtteilsansprüche gegen den Firmenerben geltend machen, entsteht ein Liquiditätsproblem: der Pflichtteilsanspruch ist sofort fällig in Geld, das Vermögen des Firmenerben ist jedoch im Unternehmen gebunden, sodass dieser gezwungen sein kann, das Unternehmen zu zerschlagen, um die Pflichtteilsansprüche zu erfüllen.
  • Diese Situation birgt zudem ein hohes Streitpotential (bspw. hinsichtlich der Bewertung des Unternehmens) und kann den Familienzusammenhalt nachhaltig beeinträchtigen.

2. Pflichtteilsverzichte sichern die Nachfolge

Pflichtteilsverzichte sind der sicherste Weg, um das Unternehmen vor Pflichtteilsgefahren zu schützen und den Frieden in der Familie zu wahren.

Dabei beseitigt der Pflichtteilsverzicht sämtliche Ansprüche aus dem Pflichtteilsrecht: den regulären Pflichtteilsanspruch, den Pflichtteilsrestanspruch (Zusatzpflichtteil) sowie den Pflichtteilsergänzungsanspruch (sofern nichts Abweichendes geregelt ist).

Damit schafft der Pflichtteilsverzicht erbrechtliche Planungssicherheit für die Fortführung des Unternehmens.

Da ein Pflichtteilsverzicht nur mit Zustimmung der Verzichtenden (insb. Kinder / Ehegatte) abgeschlossen werden kann, ist es wichtig, diese in die Planung einzubeziehen, um eine Befriedigung in der Familie zu erreichen.

Da der Pflichtteilsberechtigte mit dem Verzicht ein starkes Recht aufgibt, ist es üblich, dass er im Gegenzug für den Verzicht eine Abfindung erhält.

Der Verzicht an sich ist nicht schenkungsteuerpflichtig. Auf eine Abfindung fällt jedoch Schenkungsteuer an, soweit die Freibeträge überschritten werden.

Aus verhandlungstaktischer Sinn kann es klug sein, den Pflichtteilsverzicht auf das notwendige Minimum zu begrenzen (sog. beschränkter Pflichtteilsverzicht). Dies fördert die Akzeptanz beim Pflichtteilsberechtigten und senkt die Höhe der Abfindung.

Im Einzelnen sind der Umfang des Pflichtteilsverzichts und die Modalitäten der Abfindung weitgehend frei vereinbar und in der Praxis haben sich verschiedene Fallgestaltungen etabliert, insbesondere:

  1. Gegenständlich beschränkter Pflichtteilsverzicht, bspw. Begrenzung auf das Betriebsvermögen.
  2. Beim Berliner Testament Beschränkung des Verzichts auf den ersten Erbfall.
  3. Abgabe des Verzichts unter einer aufschiebenden oder auflösenden Bedingung, bspw. bestimmte Zuwendungen durch den Erblasser an den Verzichtenden.
  4. Einräumung einer Gewinnbeteiligung, bspw. stille Beteiligung.
  5. Reduzierung der Pflichtteilsquote.
  6. Betragsmäßige Begrenzung des Pflichtteilsrechts auf einen Geldbetrag (ggf. mit Inflationsausgleich).
  7. Vereinbarung von Zahlungsmodalitäten wie Raten, Verzinsung und Verzicht auf Sicherheiten.
  8. Festlegung des Verfahrens zur Bewertung des Betriebsvermögens.

3. Formalia einhalten

Der Pflichteisverzicht wird durch Vertrag zwischen dem Erblasser und dem Pflichtteilsberechtigen geschlossen. Dieser Vertrag bedarf der notariellen Beurkundung

Der Erblasser muss den Verzichtsvertrag persönlich schließen, Stellvertretung ist unzulässig.

4. Querverbindungen beachten

Beim Abschluss von Pflichtteilsverzichten sollten folgende erbrechtliche und familienrechtliche Punkte unbedingt beachtet werden:

  1. Der Pflichtteilsverzicht lässt das gesetzliche Erbrecht unberührt, führt also nicht zu einer Enterbung (bspw. hinsichtlich des Betriebsvermögens). Daher muss der Erblasser per Testament oder Erbvertrag geeignete Verfügungen anordnen, um die gewünschte Verteilung zu erreichen. Unterbleibt die (partielle) Enterbung, so kann bei einem entgeltlichen Pflichtteilsverzicht eine ungewollte Doppelbegünstigung eintreten: Abfindung plus gesetzlicher Erbteil.
  2. Der reine Pflichtteilsverzicht ist vom einem umfassenden Erbverzicht abzugrenzen. Der Erbverzicht führt neben dem Untergehen des Pflichtteilsrechts auch zum Verlust des gesetzlichen Erbrechts. Hierdurch wird zugleich das gesetzliche Erbrecht und auch das Pflichtteilsrecht der weiteren Erben erhöht, was eine ungewünschte Nebenwirkung des Erbverzichts sein kann.
  3. Der Pflichtteilsverzicht schließt den Zugewinnausgleich des Ehegatten nicht aus. Wird der Ehegatte enterbt oder schlägt er die Erbschaft aus, kann er in jedem Fall den Zugewinnausgleich geltend machen. Daher sollte mit dem Ehegatten stets ein Ehevertrag abgeschlossen werden, der jedenfalls das Betriebsvermögen vom Zugewinnausgleich ausnimmt.

5. Beratung und Begleitung

Wir besitzen breite Erfahrung bei Unternehmensnachfolgen und sind auf Mittelständler sowie Familienunternehmen spezialisiert. Melden Sie sich gerne, wenn Sie eine Frage haben oder ein Beratungsgespräch wünschen.

Mehr Informationen finden Sie auf unserer Website: https://freudenberg-law.com/


Mit besten Grüßen, RA Dr. Rainer Freudenberg, LL.M.