Für viele (teils ehemalige) Handelspartner aus der Europäischen Union einerseits und der Russischen Föderation andererseits ist bislang die Frage der Rückzahlung bereits geleisteter Vorauszahlungen auf sanktionsbehaftete Verträge ungeklärt. Dieses Problem stellt sich namentlich bei Verträgen über Waren, die ab Februar 2022 einem Ausfuhrverbot unterlagen, auf die jedoch zuvor bereits Zahlungen geleistet worden waren.
Grundsätzlich sieht das Verbot in Art. 11 Abs. 1 der Verordnung (EU) Nr. 833/2014 vor, dass Ansprüche aus solchen Verträgen nicht erfüllt werden dürfen, wenn sie von sanktionierten Personen bzw. generell von russischen Personen, Organisationen und Einrichtungen oder in deren Namen geltend gemacht werden.
Art. 11 Abs. 3 der Verordnung sieht jedoch ausdrücklich das Recht der genannten Personen vor, die Rechtmäßigkeit der Nichterfüllung vertraglicher Pflichten gerichtlich prüfen zu lassen.
In dem 2024 neu hinzugefügten Abs. 4 der Vorschrift ist nunmehr die Möglichkeit einer Genehmigung solcher Zahlungen geregelt. Die Vorschrift lautet:
Abweichend von Absatz 1 können die zuständigen Behörden auf der Grundlage einer spezifischen Einzelfallbewertung bis zum 31. Dezember 2025 die Befriedigung eines Anspruchs einer der in Absatz 1 Buchstabe b genannten Personen, Organisationen und Einrichtungen unter ihnen geeignet erscheinenden Bedingungen genehmigen, nachdem sie festgestellt haben, dass die Befriedigung des Anspruchs für den Abzug von Investitionen aus Russland oder die Abwicklung von Geschäftstätigkeiten in Russland unbedingt erforderlich ist.
Danach kann die Rückzahlung von Vorauszahlungen genehmigt werden, wenn sie für den Abzug von Investitionen aus Russland oder die Abwicklung von Geschäftstätigkeiten in Russland erforderlich ist.
In zahlreichen Fällen dürften diese Voraussetzungen vorliegen, namentlich wenn sich Unternehmen aus dem russischen Markt zurückziehen und auf diese Weise ihre Geschäftsbeziehungen beenden wollen.
Für die Genehmigung solcher Zahlungen ist die Deutsche Bundesbank zuständig. Der Antrag ist von dem Unternehmen zu stellen, welches die Zahlung vornehmen möchte.
Die Beantragung einer Genehmigung mit dem Ziel der Rückzahlung kann für beide Vertragspartner von Interesse sein. Der meist russische Besteller möchte die geleisteten Zahlungen zurückerhalten. Der Lieferant aus Deutschland oder einem anderen Land der EU kann ein Interesse daran haben, die Geschäftsbeziehung endgültig abzuwickeln, ein Gerichtsverfahren zu vermeiden oder in langfristiger Perspektive im Hinblick auf eine ggf. avisierte spätere Wiederaufnahme der Geschäftsbeziehungen vertragstreues Verhalten zu zeigen.
Strebt der russische Vertragspartner die Rückzahlung einer Vorauszahlung an, ohne, dass eine Kooperationsbereitschaft des Vertragspartners in der EU besteht, so kann er gemäß Art. 11 Abs. 3 Klageverfahren einleiten. Im Rahmen eines solchen Gerichtsverfahrens ist dann auch über die mögliche Verpflichtung des Vertragspartners zu entscheiden, eine Genehmigung gemäß Art. 11 Abs. 4 zu beantragen.
Die Erfahrung zeigt, dass eine Genehmigung bei schlüssiger Begründung der avisierten Rückzahlung entsprechend den Voraussetzungen der Verordnung erlangt werden kann.
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht Ingo M. Dethloff, der fließend russisch spricht und zahlreiche Mandate im Bereich der deutsch-russischen Geschäftsbeziehungen betreut, kann aus eigener Expertise auf die erfolgreiche Zahlungsabwicklung nach einer Genehmigung gemäß Art. 11 Abs. 4 VO 833/20214 durch die Bundesbank verweisen.
Da das Genehmigungsverfahren unter Umständen einige Monate in Anspruch nehmen kann, sollten Unternehmen, die eine entsprechende Rückzahlung anstreben, angesichts der aktuellen Befristung bis Ende des Jahres 2025 zeitnah einen Antrag bei der Bundesbank stellen, bzw. darauf hinwirken, dass der Vertragspartner in der EU einen solchen Antrag einreicht.