- LG Hanau, Urt. v. 31.01.2024 – 9 O 644/23 –

Sachverhalt:

Die Parteien streiten um Schadensersatz wegen Verdienstausfalls aus Amtshaftung im Zusammenhang mit der Bereitstellung eines Kinderbetreuungsplatzes.

Die Beklagte ist der Träger der öffentlichen Jugendpflege. Die Klägerin Mutter, vollzeitberufstätig und wollte nach einjähriger Elternzeit wieder arbeiten. Nach Anmeldung des Betreuungsbedarfs kam eine Kinderbetreuung nicht zustande. Um die Betreuung ihrer Tochter sicherzustellen, musste die Klägerin die Elternzeit verlängern, wodurch ihr ein Verdienstausfall entstand.

Die Betreuung sei ohne konkretes Platzangebot und auf Grund fehlender Kapazitäten gescheitert.

Entscheidung:

Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Schadensersatz aus Amtshaftung, weil davon auszugehen ist, dass der Beklagte ihr nicht rechtzeitig einen Kinderbetreuungsplatz bereitgestellt hat.

Der Anspruch auf Gewährung eines Ganztagesbetreuungsplatzes ergibt sich aus § 24 Abs. 2 SGB VIII. Hieraus erwächst für den örtlich und sachlich zuständigen Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Amtspflicht, im Rahmen seiner Planungsverantwortung umfassenden Gesamtverantwortung zu gewährleisten, dass für jedes anspruchsberechtigte Kind, für das ein entsprechender Bedarf rechtzeitig angemeldet worden ist, einen Betreuungsplatz zur Verfügung steht. Diese Amtspflicht besteht nicht nur im Rahmen der vorhandenen Kapazität. Der Jugendhilfeträger ist vielmehr gehalten, eine ausreichende Zahl von Betreuungsplätzen selbst zu schaffen und durch geeignete Dritte bereitzustellen (vgl. BVerfG, Urt. v. 21.07.2015 – 1 BvF 2/13 –; BGH, Urt. v. 20.10.2016 – III ZR 278/15 –).

Diese Amtspflicht besteht auch gegenüber den personenberechtigten Eltern und erstreckt sich auch auf deren Erwerbsinteresse.

Die Nichterfüllung der Gewährleistungspflicht kann eine Amtspflichtverletzung gegenüber den Anspruchsberechtigten begründen. Mit der Nichterfüllung des Anspruchs auf einen Betreuungsplatz ist das Verschulden grundsätzlich festgestellt, wobei der Kläger einen Sachverhalt darlegen muss, der nach regelmäßigem Ablauf der Dinge die Schlussfolgerung begründet, dass ein Beamter seine Amtspflicht schuldhaft verletzt hat. Damit besteht zugunsten des Geschädigten hinsichtlich des Verschuldens des Amtsträgers ein Beweis des ersten Anscheins. 

Dem Träger der Jugendhilfe steht es jedoch zu, den Beweis des ersten Anscheins zu erschüttern. Dann muss der Kläger seinen Vortrag vollumfänglich beweisen.

Ein solcher Sachverhalt liegt vor, wenn der Träger der Jugendhilfe trotz rechtzeitiger Beantragung keinen Betreuungsplatz zur Verfügung stellt.