Einführung: Was war passiert?

Ein Mann hatte Schulden. Drei Forderungen von Gläubigern – also offene Rechnungen – wurden gegen ihn geltend gemacht, alle wurden bezahlt. Trotzdem tauchte sein Name noch Jahre später in der Datenbank einer Wirtschaftsauskunftei auf. Diese speicherte Informationen über seine früheren Zahlungsprobleme und gab sie weiter – etwa an Banken oder andere Vertragspartner, die damit seine Kreditwürdigkeit beurteilten.

Das wollte der Mann nicht hinnehmen: Er klagte gegen die Auskunftei, forderte die Löschung der Daten sowie Schmerzensgeld. Zunächst erfolglos. Das Landgericht (LG) Köln wies die Klage ab. Doch der Kläger ging in Berufung – und bekam vor dem Oberlandesgericht (OLG) Köln teilweise recht.


Hintergrund: Wer darf was wie lange speichern?

In Deutschland erfassen sogenannte Wirtschaftsauskunfteien (wie z. B. die Schufa) Informationen über das Zahlungsverhalten von Verbraucherinnen und Verbrauchern. Ziel ist es, anderen Unternehmen – etwa Banken oder Händlern – eine Einschätzung darüber zu geben, wie „kreditwürdig“ jemand ist. Doch das Speichern solcher Daten ist an enge Regeln gebunden, vor allem durch:

  • Die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) auf europäischer Ebene, und
  • Das Schuldnerverzeichnisrecht (§ 882b und § 882e Zivilprozessordnung – ZPO) auf nationaler Ebene.

Wird eine Schuld bezahlt, müssen die entsprechenden Einträge – so die klare gesetzliche Regelung – unverzüglich gelöscht werden.


Die konkreten Fälle des Klägers

Der Kläger hatte insgesamt drei Forderungen beglichen:

  1. 150,00 € (gerichtlich tituliert im August 2019, bezahlt am 2. Dezember 2020)
  2. 428,27 € (aus Rechnung vom Januar 2020, bezahlt am 4. November 2021)
  3. 160,99 € (gerichtlich tituliert im Februar 2022, bezahlt im Dezember 2022)

Trotz vollständiger Zahlung blieben die entsprechenden Informationen in der Datenbank der Auskunftei erhalten – und konnten weiterhin von Dritten abgerufen werden.

Der Kläger verlangte:

  • Die Löschung der Einträge
  • 1.500 € Schmerzensgeld
  • 627,13 € vorgerichtliche Anwaltskosten

Die Auskunftei löschte zwar einen der Einträge nach Ablauf von drei Jahren, wollte aber die anderen zunächst behalten. Das LG Köln (erste Instanz) hielt das für rechtmäßig. Doch das OLG Köln sah das anders.


Die Entscheidung des OLG Köln (10.04.2025 – 15 U 249/24)

Verstoß gegen die DSGVO

Das Gericht stellte klar: Die Auskunftei hat gegen die DSGVO verstoßen, weil sie Daten über beglichene Forderungen zu lange gespeichert hat. Die fortgesetzte Speicherung war nicht mehr notwendig und daher rechtswidrig.

Zentrale Argumente:

  • Die Einträge betrafen erledigte Forderungen – also vollständig bezahlte Schulden.
  • Die Voraussetzungen für eine rechtmäßige Speicherung nach Art. 6 DSGVO lagen nicht mehr vor.
  • Insbesondere das Argument „berechtigtes Interesse“ nach Art. 6 Abs. 1 lit. f DSGVO überzeugte das Gericht nicht mehr, nachdem der Kläger gezahlt hatte.
  • Maßgeblich war dabei die gesetzliche Regelung des § 882e Abs. 3 Nr. 1 ZPO: Sobald eine Schuld im Schuldnerverzeichnis gelöscht werden muss, darf sie auch bei der Auskunftei nicht länger gespeichert werden.


Einfluss des Europäischen Gerichtshofs (EuGH)

Eine Entscheidung des EuGH vom Dezember 2023 spielte eine zentrale Rolle:

  • Der EuGH hatte geurteilt, dass private Auskunfteien keine Informationen länger speichern dürfen als die öffentlichen Register, aus denen sie stammen.
  • Das Urteil des EuGH bezog sich zwar auf Einträge im Insolvenzregister, aber das OLG Köln übertrug diese Wertung auch auf das Schuldnerverzeichnis nach § 882b ZPO.
  • Damit wurden auch frühere Entscheidungen deutscher Gerichte, die längere Speicherzeiten erlaubt hatten, korrigiert bzw. für überholt erklärt.


Folgen der Entscheidung

Für Verbraucher:

  • Wer seine Schulden vollständig begleicht, kann schneller damit rechnen, dass negative Einträge gelöscht werden.
  • Das schützt vor langfristigen Nachteilen bei der Wohnungssuche, Kreditvergabe oder beim Abschluss von Handyverträgen.
  • Es gibt ein Recht auf Vergessenwerden, das ernst genommen werden muss.

Für Wirtschaftsauskunfteien:

  • Sie müssen ihre Speicherpraxis überdenken und sich enger an gesetzlichen Vorgaben orientieren.
  • Eine Speicherung „auf Vorrat“ oder über gesetzlich geregelte Fristen hinaus ist nicht zulässig.
  • Wer dagegen verstößt, riskiert Schadensersatzforderungen und rechtliche Konsequenzen.


Warum ist das Urteil wichtig?

Dieses Urteil stärkt den Datenschutz und die Verbraucherrechte in Deutschland. Es zeigt, dass Unternehmen nicht beliebig mit sensiblen Informationen umgehen dürfen, auch wenn diese zunächst berechtigt erhoben wurden.

Zugleich wird klargestellt:

  • Der Maßstab ist das öffentliche Register (z. B. Schuldnerverzeichnis).
  • Wird dort gelöscht, muss auch die Auskunftei löschen – und zwar ohne Verzögerung.


Fazit: Wer zahlt, soll auch vergessen werden

Das Urteil des OLG Köln macht deutlich:
Zahlung bedeutet nicht nur Schuldenfreiheit, sondern auch ein Recht auf einen sauberen Datensatz.

Wirtschaftsauskunfteien dürfen nicht einfach auf Vorrat speichern, wenn der Zweck weggefallen ist. Die Balance zwischen dem Informationsinteresse der Wirtschaft und dem Schutz der Privatsphäre ist zugunsten der Betroffenen zu wahren. Wer seine Schulden begleicht, verdient eine zweite Chance – ohne digitale Altlasten.