Mit dem Anwalt zur Entschädigung bei diskriminierender Absage durch den Arbeitgeber.
Ausgangslage
Schwerbehinderte Menschen und ihnen Gleichgestellte sind aufgrund ihrer Schwerbehinderung in vielen Lebensbereichen benachteiligt. Zum Ausgleich dieser Nachteile bietet das Gesetz verschiedene Fördermaßnahmen. So schreibt das Gesetz nicht nur in § 154 Abs. 1 SGB IX für bestimmte Arbeitgeber eine Quote von 5 % der Arbeitsplätze vor, die mit schwerbehinderten Menschen zu besetzen sind; auch im Bewerbungsverfahren erfahren schwerbehinderte Personen bei einigen Gruppen von Arbeitgebern eine Bevorzugung – jedenfalls in der Theorie. So müssen Arbeitgeber gemäß § 164 Abs. 1 S. 4 SGB IX etwa die jeweilige Beschäftigtenvertretung (Betriebsrat, Personalrat usw.) und die Schwerbehindertenvertretung unverzüglich informieren, wenn die Bewerbung einer schwerbehinderten Person eingeht. Handelt es sich um einen öffentlichen Arbeitgeber, muss dieser gemäß § 165 S. 3 SGB IX den schwerbehinderten Bewerber zu einem Vorstellungsgespräch einladen, jedenfalls wenn der Bewerber nicht offensichtlich ungeeignet für die ausgeschriebene Stelle ist.
In der Praxis sehen die Dinge leider häufig anders aus, obwohl Schwerbehinderte häufig gute Qualifikationen vorweisen können. Bewerbungen werden, häufig mit floskelhafter Begründung, einfach zurückgewiesen und häufig schwingt die Ahnung mit, dass der Grund für die Ablehnung nicht in mangelnder fachlicher Qualifikation, sondern in den Umständen liegt, die die Beschäftigung schwerbehinderter und gleichgestellter Mitarbeiter für Arbeitgeber mit sich bringt. Dann macht sich Frust breit, denn häufig erhalten schwerbehinderte Bewerber eine Reihe von Absagen und entwickeln das Gefühl von Hilflosigkeit, weil sie meinen, machtlos zu sein und die vermutete Diskriminierung nicht beweisen zu können. Aber ist das auch wirklich so?
Wie beweist man eine Benachteiligung wegen der Schwerbehinderung?
Vorab: Nicht in allen Fällen lassen sich hinreichend Indizien für eine Diskriminierung bei der Bewerbung aufgrund der Schwerbehinderung finden. In seltenen Fällen enthält bereits die Stellenanzeige oder das Ablehnungsschreiben einen verräterischen Hinweis, etwa wenn die Absage darauf abstellt, der Bewerber sei aufgrund der Schwerbehinderung nicht geeignet. Die meisten Arbeitgeber wissen derartiges aber zu vermeiden.
Existieren aber Tatsachen, aus denen auf eine Benachteiligung des schwerbehinderten Bewerbers geschlossen werden kann, trifft nach § 22 AGG den Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass der schwerbehinderte Bewerber doch nicht benachteiligt wurde.
Welche Indizien für eine Benachteiligung gibt es?
Neben den oben bereits erwähnten Formulierungen in Stellenanzeigen und Ablehnungsschreiben sind v.a. Verstöße gegen die Informationspflicht nach § 164 Abs. 1 S. 4 SGB IX gegen die Einladungspflicht gemäß § 165 S. 3 SGB IX erhebliche Indizien für eine Benachteiligung.
Die unterbliebene Einladung nach § 165 S. 3 SGB IX durch einen öffentlichen Arbeitgeber ist ein Umstand, den der Bewerber natürlich leicht feststellen kann. Erforderlich ist insoweit nur, dass es sich bei dem Arbeitgeber um einen öffentlichen Arbeitgeber handelt. Wer öffentlicher Arbeitgeber ist, ist in § 154 Abs. 2 SGB IX definiert. Es sind insbesondere oberste Bundes- und Landesbehörden samt nachgeordneter Stellen. Wichtig: Privatwirtschaftliche Unternehmen, etwa eine GmbH oder AG, sind auch dann nicht öffentliche Arbeitgeber, wenn sie sich voll im Eigentum der öffentlichen Hand befinden (z.B. die Deutsche Bahn AG).
Weniger offensichtlich ist, ob der Arbeitgeber unverzüglich die Arbeitnehmervertretung und die Schwerbehindertenvertretung von der Bewerbung informiert hat. Häufig ist noch nicht einmal klar, ob solche Vertretungen in dem Betrieb überhaupt gebildet wurden. An dieser Stelle können Nachforschungen helfen. Lassen sich gar keine Erkenntnisse gewinnen, gestattet das Bundesarbeitsgericht dem Bewerber, die unterlassene Information dieser Gremien schlicht und auch ohne konkrete Anhaltspunkte zu behaupten und eine Erklärung des Arbeitgebers zu provozieren. Dies ist häufig das einzige Mittel, birgt aber auch ein Kostenrisiko; ob es ratsam ist, davon Gebrauch zu machen, sollte am besten mit einem spezialisierten Rechtsanwalt besprochen werden!
Gibt es bei jedem Verstoß gegen diese Vorschriften eine Entschädigung?
In der Rechtsprechung ist geklärt, dass der Verstoß gegen die unverzügliche Benachrichtigung der Arbeitnehmervertretung und gegen die Pflicht zur Einladung zum Vorstellungsgespräch nicht unmittelbar zu einem Entschädigungsanspruch führt. Vielmehr steht dem Arbeitgeber den Gegenbeweis offen, dass die Entscheidung gegen den Bewerber nicht auf die Diskriminierung zurückgeht. Dies kann etwa sein, wenn zum Zeitpunkt der Bewerbung des schwerbehinderten Kandidaten das Bewerbungsverfahren bereits durch Besetzung der Stelle abgeschlossen ist oder die Besetzung der Stelle abgebrochen wird. Häufig wird dies der Arbeitgeber bereits außergerichtlich erklären und auf den abgelehnten Kandidaten macht dies zunächst regelmäßig auch Eindruck. Das ist so bezweckt; der Bewerber sollte sich aber hiervon nicht einschüchtern lassen. Es ist nämlich höchstrichterlich anerkannt, dass der Arbeitgeber sein Stellenbesetzungsverfahren nicht so ausgestalten darf, dass dem Bewerber der Nachweis der Diskriminierung unmöglich wird. Wird eine Stellenbesetzung etwa abgebrochen, muss der Arbeitgeber für die Beendigung schon sachliche und nachvollziehbare Gründe darlegen und ggf. beweisen. Auch mit dem Abschluss des Bewerbungsverfahrens vor Eingang der Bewerbung des schwerbehinderten Kandidaten ist eine Diskriminierung nicht ausgeschlossen. Häufig lohnt es sich also, an dieser Stelle genauer hinzusehen und fachkundigen Rat einzuholen!
Wie hoch ist die Entschädigung und was ist der Unterschied zum Schadensersatz?
Beim Schadensersatz ist der tatsächlich eingetretene und messbare durch die Diskriminierung eingetretene Vermögensschaden zu ersetzen. Häufig liegt ein solcher gar nicht vor oder ist sehr gering.
Bei der Entschädigung wiederum geht es um die durch die Benachteiligung eingetretene Verletzung des Persönlichkeitsrechts des Bewerbers und die damit einhergehende Vereitelung einer Erwerbschance. Gleichzeitig soll die Entschädigung auch Sanktionscharakter gegenüber dem Arbeitgeber haben.
Die Höhe der Entschädigung muss gemäß § 15 Abs. 2 S. 1 SGB IX angemessen sein und ist damit vom Einzelfall abhängig. Die Entstehung des Anspruchs hängt nicht davon ab, ob der Bewerber ohne Diskriminierung die Stelle bekommen hätte. Hätte er dies nicht, beschränkt sich der Entschädigungsanspruch gemäß § 15 Abs. 2 S. 2 SGB IX aber auf maximal drei Monatsgehälter, die der Bewerber im Fall der Einstellung bekommen hätte. Wie viel dies ist, ist bisweilen schwer zu bestimmen; Vergleichsportale wie glassdoor.de bieten Anhaltspunkte, im Geltungsbereich von Tarifverträgen lässt sich der Bruttomonatslohn ziemlich genau bestimmen.
Gibt es noch etwas zu beachten?
Wichtig für die Durchsetzung eines Entschädigungsanspruchs ist die Einhaltung zweier Fristen.
Die erste Frist beträgt zwei Monate und beginnt mit dem Zeitpunkt, an dem der Bewerber die Ablehnung erhält oder anderweitig von der Benachteiligung Kenntnis erlangt. Innerhalb dieser Frist muss der Bewerber den Arbeitgeber schriftlich zur Zahlung der Entschädigung bzw. des Schadensersatzes auffordern.
Die zweite Frist beträgt drei Monate und beginnt mit dem Zeitpunkt zu dem der abgelehnte Bewerber den Anspruch schriftlich geltend macht. Innerhalb dieser Frist muss der Bewerber Klage zum Arbeitsgericht erheben.
Die Fristen müssen auf jeden Fall gewahrt werden, wenn der Anspruch erfolgreich durchgesetzt werden soll.
Wie gut sind die Erfolgsaussichten?
Die Erfolgsaussichten von Entschädigungs- und Schadensersatzansprüchen hängen immer vom Einzelfall ab. Es kommt aber selten vor, dass ein Arbeitgeber bereits außergerichtlich die geltend gemachten Ansprüche des Bewerbers erfüllt. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren lauern einige prozessuale Fallstricke. Hier reicht es selten aus, wenn man einfach seine eigene Ansicht äußert und den Sachverhalt aus eigener Wahrnehmung schildert. Häufig hängt der Erfolg von der Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Prozessgegners ab. Um dieses richtig zu bewerten und die eigenen Darlegungspflichten hinreichend zu erfüllen, bedarf es der Erfahrung mit arbeitsgerichtlichen Verfahren im Allgemeinen und Entschädigungsklagen im Besonderen.
Unser Team von MWW Rechtsanwälte steht Ihnen bei der Prüfung und Durchsetzung Ihrer Entschädigungsansprüche außergerichtlich und gerichtlich gerne zur Seite.