Ein strafrechtlicher Vorwurf wegen eines Sexualdelikts betrifft nicht nur die strafrechtliche Verantwortung des Beschuldigten. Besonders gravierend sind häufig die außerstrafrechtlichen Konsequenzen, etwa im Arbeitsverhältnis. Selbst wenn sich ein Vorwurf als unbegründet herausstellt oder das Verfahren eingestellt wird, können berufliche Folgen wie Abmahnung, Kündigung oder Reputationsverlust eintreten.

Dieser Artikel erklärt die Schnittstellen zwischen Strafrecht und Arbeitsrecht im Kontext sexualbezogener Vorwürfe – und was betroffene Beschäftigte beachten sollten.


Typische Konstellationen im Arbeitsleben

Sexualbezogene Vorwürfe im Arbeitsverhältnis treten in verschiedensten Formen auf. Häufige Szenarien sind:

  • Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz (z. B. unerwünschte Berührungen, anzügliche Bemerkungen)

  • Vorwürfe der Nötigung oder Vergewaltigung im Kollegenkreis

  • Unangemessene Kommunikation über E-Mail, Chat oder soziale Netzwerke

  • Vorfälle auf betrieblichen Veranstaltungen oder außerhalb der Arbeitszeit, aber mit Bezug zum Arbeitsumfeld

Nicht jeder dieser Fälle führt automatisch zu strafrechtlichen Ermittlungen, wohl aber zu arbeitsrechtlichen Reaktionen.


Abmahnung und Kündigung – auch ohne strafrechtliche Verurteilung?

Arbeitgeber sind verpflichtet, das Persönlichkeitsrecht und die körperliche Integrität ihrer Mitarbeiter zu schützen. Wird ein Arbeitnehmer eines sexuellen Fehlverhaltens beschuldigt, kann das Unternehmen arbeitsrechtliche Konsequenzen ziehen – auch dann, wenn (noch) keine strafrechtliche Verurteilung vorliegt.

Mögliche arbeitsrechtliche Maßnahmen:

  • Abmahnung bei geringfügiger Pflichtverletzung

  • Ordentliche Kündigung unter Einhaltung der Kündigungsfrist

  • Fristlose Kündigung (§ 626 BGB), wenn das Vertrauensverhältnis irreparabel gestört ist

Die arbeitsgerichtliche Rechtsprechung stellt dabei nicht auf strafrechtliche Maßstäbe ab, sondern auf die Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten (z. B. Rücksichtnahme auf Kollegen). Schon der begründete Verdacht eines schwerwiegenden Fehlverhaltens kann – in Ausnahmefällen – zur Kündigung führen (sogenannte Verdachtskündigung), wenn der Arbeitgeber vorab umfassend ermittelt hat.


Strafverfahren und interne Untersuchung – zwei getrennte Verfahren

Oft wird das strafrechtliche Verfahren mit der arbeitsrechtlichen Bewertung verwechselt. Doch beide laufen voneinander unabhängig. Während die Staatsanwaltschaft objektiv nach Beweisen sucht und hohe Anforderungen an die Überzeugung stellt, kann der Arbeitgeber bereits auf der Grundlage interner Feststellungen reagieren.

Gerade bei größeren Unternehmen wird häufig eine Compliance-Abteilung oder eine externe Anwaltskanzlei mit der Untersuchung betraut. Beschäftigte haben in solchen Verfahren kein Zeugnisverweigerungsrecht und keine Verteidigerstellung – dies führt nicht selten zu einer schwierigen Doppelbelastung.


Verteidigung mit Blick auf berufliche Folgen

Ein Sexualstrafverfahren mit Bezug zum Arbeitsplatz erfordert eine verteidigungsstrategische Doppelperspektive:

  1. Strafrechtlich: Es geht um die Vermeidung von Ermittlungsmaßnahmen, eine frühzeitige Einstellung oder eine Entlastung im gerichtlichen Verfahren.

  2. Arbeitsrechtlich: Es muss geprüft werden, ob und wie arbeitsrechtliche Konsequenzen abgewendet oder rechtlich überprüft werden können (z. B. Kündigungsschutzklage).

In manchen Fällen kann eine Verteidigungsstrategie auch beinhalten, das Strafverfahren diskret und ohne öffentliche Hauptverhandlung zu beenden, um eine arbeitsrechtliche Eskalation zu verhindern.


Fazit

Ein strafrechtlicher Vorwurf wegen eines Sexualdelikts hat im Arbeitsverhältnis weitreichende Folgen – unabhängig davon, ob es zu einer Verurteilung kommt. Betroffene sollten frühzeitig rechtliche Hilfe in Anspruch nehmen, um sowohl die strafrechtliche als auch die berufliche Situation zu sichern. Eine abgestimmte Strategie zwischen Strafverteidigung und arbeitsrechtlichem Schutz ist dabei entscheidend.