Eine umfassende Sorgerechtsvollmacht kann eine Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf einen Elternteil verhindern, selbst wenn zwischen den Eltern kaum oder keine Kommunikation mehr stattfindet. Dies bestätigte das Oberlandesgericht Braunschweig in einem aktuellen Beschluss vom 18. März 2025 (Az.: 1 WF 32/25).
In dem Fall beantragte eine Mutter die alleinige Sorge für ihre sechsjährige Tochter, da zwischen ihr und dem Vater des Kindes jegliche Kommunikation zum Erliegen gekommen sei. Die Eltern waren geschieden, die Tochter lebte dauerhaft bei der Mutter. Der Vater hatte der Mutter jedoch bereits zuvor eine umfassende, notariell beglaubigte Sorgerechtsvollmacht erteilt. Diese Vollmacht berechtigte die Mutter, alle relevanten Entscheidungen alleine zu treffen, etwa in medizinischen, schulischen oder behördlichen Angelegenheiten.
Die Mutter argumentierte, diese Vollmacht reiche nicht aus, weil Banken, Ärzte und Behörden diese häufig nicht akzeptierten und aufgrund der Kommunikationsverweigerung des Vaters wichtige Entscheidungen blockiert seien. So hätten sich etwa bei einer ADHS-Diagnose der Tochter Abstimmungsprobleme ergeben.
Das Gericht sah dies anders: Für eine Übertragung des alleinigen Sorgerechts müsse die Mutter konkret nachweisen, dass die bestehende Vollmacht tatsächlich unzureichend sei. Bloße Behauptungen, dass die Vollmacht in der Praxis oft nicht anerkannt würde, seien nicht ausreichend. Entscheidend sei, ob die Vollmacht tatsächlich in konkreten Situationen versagt habe – und solche Situationen seien von der Mutter nicht ausreichend dargelegt worden.
Das Gericht stellte außerdem klar, dass eine Sorgerechtsübertragung immer das letzte Mittel sei, wenn mildere Maßnahmen wie eine umfassende Vollmacht noch wirksam genutzt werden könnten. Eine fehlende Kommunikation zwischen den Eltern alleine rechtfertige keine Sorgerechtsübertragung, solange die Vollmacht effektiv genutzt werden könne.
Der Beschluss macht deutlich, dass bei Streitigkeiten um das Sorgerecht umfassende Vollmachten entscheidend sein können. Eltern sollten sich bewusst sein, dass eine sorgfältig erteilte Sorgerechtsvollmacht erhebliche rechtliche Wirkung entfalten kann und die rechtliche Schwelle für eine Übertragung der Alleinsorge sehr hoch ist.
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