Die Selbstanzeige im Steuerstrafrecht bietet Steuerpflichtigen, die Steuern hinterzogen haben, die Möglichkeit, durch rechtzeitige Offenlegung Straffreiheit zu erlangen. Eine Selbstanzeige kann jedoch nur wirksam sein, wenn sie unter Einhaltung strenger gesetzlicher Vorgaben erfolgt. In diesem Teil der Serie erläutern wir die Voraussetzungen, den Ablauf und die Risiken der Selbstanzeige und geben praxisnahe Hinweise für die Umsetzung.

Was ist eine Selbstanzeige und wozu dient sie?

Die Selbstanzeige ist ein Instrument, das es Steuerpflichtigen ermöglicht, bei einer bereits begangenen Steuerhinterziehung Straffreiheit zu erlangen. Dazu muss der Steuerpflichtige alle bisher verschwiegenen Einkünfte und steuerrelevanten Tatsachen umfassend offenlegen und die hinterzogene Steuer nachentrichten. Das Ziel der Selbstanzeige ist es, Steuerpflichtige zur freiwilligen Rückkehr zur Steuerehrlichkeit zu motivieren und somit dem Fiskus Einnahmen zu sichern, die andernfalls verloren wären.

Welche Voraussetzungen müssen für eine wirksame Selbstanzeige erfüllt sein?

Für die Wirksamkeit der Selbstanzeige müssen mehrere Voraussetzungen erfüllt sein:


  1. Vollständigkeit der Offenlegung: Die Selbstanzeige muss sämtliche unverjährten Steuerhinterziehungen einer Steuerart umfassen. Eine sogenannte „Teilschonung“ durch selektives Offenlegen einzelner Steuerjahre oder Einkunftsarten ist unzulässig.
  2. Rechtzeitigkeit: Die Selbstanzeige muss rechtzeitig erfolgen. Sie ist unwirksam, wenn ein „Sperrgrund“ vorliegt, etwa wenn eine Prüfungsanordnung bekannt gegeben wurde (§ 371 Abs. 2 Nr. 1 AO) oder wenn der Steuerpflichtige wissen muss, dass die Steuerhinterziehung bereits entdeckt ist (§ 371 Abs. 2 Nr. 2 AO).
  3. Nachzahlung der Steuern und Zinsen: Für eine wirksame Selbstanzeige müssen die hinterzogenen Steuern sowie die darauf entfallenden Zinsen nach § 235 AO vollständig und fristgerecht nachgezahlt werden.
  4. Einhaltung der formellen Vorgaben: Die Selbstanzeige muss alle wesentlichen Angaben zu den steuerpflichtigen Einkünften enthalten und den steuerlichen Erklärungsanforderungen entsprechen.

Welche Einschränkungen gibt es bei der Selbstanzeige?

Die Selbstanzeige ist ein eng begrenztes Instrument und kann nicht genutzt werden, wenn:

  • eine Außenprüfung oder Betriebsprüfung bereits angekündigt ist;
  • der Steuerpflichtige mit der Entdeckung rechnen muss oder bereits darüber informiert wurde;
  • die Hinterziehung besonders schwer ist, etwa bei einem Verkürzungsbetrag über 50.000 Euro je Steuerart und Jahr. In diesen Fällen bleibt die Selbstanzeige unter Umständen nur bei Entrichtung eines Zuschlags wirksam (§ 398a AO).

Wie läuft die Abgabe einer Selbstanzeige praktisch ab?

  1. Analyse und Vorbereitung: Zunächst muss der Steuerpflichtige alle steuerlich relevanten Sachverhalte ermitteln und aufarbeiten. Dies umfasst Einkünfte, die bisher nicht angegeben wurden, und alle steuererheblichen Tatsachen.
  2. Erstellung der Selbstanzeige: Die Selbstanzeige wird als Steuererklärung oder Berichtigung abgegeben, die die bisher nicht angegebenen Einkünfte und Steuerbeträge offenlegt. Eine umfassende Dokumentation und ein anwaltliches Begleitschreiben sind hier oft sinnvoll, um die Ernsthaftigkeit und Vollständigkeit zu unterstreichen.
  3. Abgabe beim Finanzamt: Die Selbstanzeige wird beim zuständigen Finanzamt eingereicht. Die vollständige und wahrheitsgemäße Angabe ist dabei ausschlaggebend. Unvollständige oder lückenhafte Angaben führen dazu, dass die Selbstanzeige unwirksam wird.
  4. Nachzahlung der Steuerschuld und Zinsen: Für die Straffreiheit ist die vollständige Nachzahlung der hinterzogenen Steuern sowie die Zahlung der entstandenen Zinsen erforderlich.

Beispiel für eine erfolgreiche Selbstanzeige

Herr M hat Einkünfte aus einer Kapitalanlage im Ausland nicht erklärt. Nachdem ihm bekannt wird, dass Finanzbehörden zunehmend Daten zu Auslandskonten erheben, entschließt er sich zur Selbstanzeige. Er führt eine vollständige Offenlegung durch, gibt die hinterzogenen Kapitaleinkünfte der vergangenen zehn Jahre an und zahlt die nachgeforderten Steuern und Zinsen vollständig nach. Die Selbstanzeige wird anerkannt, und Herr M bleibt straflos.

Welche Fehler führen zur Unwirksamkeit einer Selbstanzeige?

Eine Selbstanzeige kann aufgrund verschiedener Fehler unwirksam sein:

  • Unvollständigkeit: Werden nur einzelne Steuerjahre oder -arten offengelegt, spricht man von einer „Teilselbstanzeige“, die keine Straffreiheit gewährt.
  • Fehlende Nachzahlung: Die Straffreiheit setzt die fristgerechte und vollständige Begleichung der Steuerschulden und Zinsen voraus. Bei Zahlungsverzug oder Ratenzahlung ist die Selbstanzeige nicht mehr wirksam.
  • Sperrgründe: Liegt bereits ein Ermittlungsverfahren oder eine Prüfungsanordnung vor, ist die Selbstanzeige nicht mehr möglich.

Welche steuerlichen und strafrechtlichen Folgen hat eine wirksame Selbstanzeige?

Eine wirksame Selbstanzeige führt zur Straffreiheit im Zusammenhang mit der Steuerhinterziehung. Steuerpflichtige müssen jedoch mit hohen Steuernachzahlungen und Zinsen rechnen, da die ursprüngliche Steuerschuld um die Zinsen für verspätete Zahlungen ergänzt wird. Auch bei hohen Nachzahlungsbeträgen kann dies finanziell belastend sein, aber es verhindert eine strafrechtliche Verurteilung.

Was ist die Einstellung gegen Auflagen gemäß § 398a AO?

Falls der Verkürzungsbetrag je Steuerart und Jahr die Grenze von 50.000 Euro überschreitet, reicht die Selbstanzeige allein nicht für Straffreiheit. In diesen Fällen wird gegen Zahlung eines Zuschlags eine Einstellung des Verfahrens ermöglicht. Der Zuschlag beträgt je nach Höhe der hinterzogenen Steuer zwischen 10 % und 20 %. Durch die Entrichtung dieses Zuschlags und der Nachzahlung kann ein Verfahren dennoch vermieden werden.

Kann ein Steuerberater oder Anwalt die Selbstanzeige begleiten?

Ja, gerade bei komplexen Fällen ist die Beauftragung eines spezialisierten Anwalts oder Steuerberaters sinnvoll. Die Selbstanzeige ist ein hochsensibles Instrument, das bei unsachgemäßer Handhabung zur Unwirksamkeit führen kann. Ein erfahrener Berater kann die notwendigen Unterlagen aufbereiten, eine rechtssichere Selbstanzeige formulieren und sicherstellen, dass die Anforderungen an Vollständigkeit und Korrektheit erfüllt sind.

Beispiel: Selbstanzeige mit anwaltlicher Unterstützung

Frau S hat in den letzten Jahren wiederholt Einkünfte aus einer Vermietung im Ausland nicht angegeben. Da die steuerliche Sachlage komplex ist, wendet sie sich an einen Anwalt, der die gesamte Einkommenshistorie analysiert und in Absprache mit ihrem Steuerberater eine Selbstanzeige vorbereitet. Alle Einkünfte werden vollständig nacherklärt, und Frau S zahlt die anfallenden Steuern und Zinsen. Dank der Beratung bleibt sie straffrei.

Was sollten Steuerpflichtige beachten, die eine Selbstanzeige erwägen?

  1. Schnelligkeit: Wer Steuerhinterziehung begangen hat und eine Selbstanzeige in Betracht zieht, sollte nicht zögern. Angesichts der erweiterten Kontrollmöglichkeiten durch Banken und Finanzbehörden besteht ein hohes Risiko der Entdeckung.
  2. Umfassende Vorbereitung: Die Selbstanzeige muss alle relevanten Steuerarten und Jahre umfassen. Eine unvollständige Offenlegung führt zur Unwirksamkeit.
  3. Rechtliche Beratung: Aufgrund der komplexen Rechtslage sollten Steuerpflichtige rechtlichen Rat einholen. Ein Anwalt kann helfen, die notwendigen Unterlagen zusammenzustellen und sicherstellen, dass die Selbstanzeige allen Anforderungen genügt.

Fazit: Selbstanzeige – Eine zweite Chance mit Herausforderungen

Die Selbstanzeige ist ein wertvolles Mittel zur Straffreiheit, setzt aber eine sorgfältige und vollständige Offenlegung aller steuerlich relevanten Tatsachen voraus. Wer eine Selbstanzeige erwägt, sollte zeitnah handeln, um Sperrgründe zu vermeiden, und eine umfassende steuerliche und juristische Aufarbeitung der Sachlage sicherstellen. Nur bei vollständiger und rechtzeitiger Offenlegung besteht die Chance, die Steuerhinterziehung ohne strafrechtliche Konsequenzen zu bereinigen.

Im nächsten Teil widmen wir uns dem Zusammenspiel von Steuerstrafrecht und Steuerrecht und beleuchten, welche rechtlichen und steuerlichen Maßnahmen sinnvoll sind, um steuerliche Risiken zu minimieren und eine strafrechtliche Verfolgung zu vermeiden.

Ihr Rechtsanwalt und Fachanwalt für Erbrecht

Christian Keßler

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