Die Lage: Strukturelle Überlastung 


Seit Einführung der Einbürgerungserleichterungen im Sommer 2024 ist die Zahl der Einbürgerungsanträge erwartungsgemäß im ganzen Land signifikant angestiegen. Besonders problematisch ist die Lage in Berlin, weil hier zuvor schon zum 01.01.2024 die Zuständigkeit für Einbürgerungsverfahren geändert wurde. Alle Berliner Anträge waren seitdem (und sind auch künftig) zentral beim Landesamt für Einwanderung zu stellen. 


Und damit nicht genug. In gleicher Weise hat sich die Zuständigkeit für alle bereits laufenden Anträge geändert. Alle offenen Vorgänge aus den Bezirksämtern liegen nun ebenfalls gemeinsam mit den Neuanträgen beim Landesamt für Einbürgerung. Nach eigener Auskunft der Behörde handelt es sich um über 40.000 offene Altvorgänge. Zusätzlich gehen seit Januar 2024 bis zu 1.000 neue Anträge pro Woche ein - wohlgemerkt vor der Gesetzesänderung im Sommer, die mit zahlreichen Erleichterungen die Einbürgerung für viele Menschen noch attraktiver gemacht hat. 


Beachtlich ist dabei die eigene Rechnung. Die Behörde plant, die Zahl der Einbürgerungen von bisher 9.000 auf demnächst (wann auch immer das sein mag) 20.000 zu steigern. Das kann schon von vornherein nicht ausreichen. Aus einer im Oktober veröffentlichten Senatsmitteilung geht hervor, dass bis Ende September etwa 33.000 Neuanträge in Berlin eingegangen sind. Das summiert sich bis zum Jahresende auf etwa 45.000 Anträge und lässt sich mit den gewollten 20.000 Bearbeitungen nicht erledigen. 


Der Blick in die Erledigungszahlen bestätigt den Befund. Nur 1/5 der Verfahren wurden mit einer Einbürgerung zum Abschluss gebracht. Mit anderen Worten: 80% der Anträge sind nicht erledigt.


Das Problem: Informationsdefizit


Für eine überwiegende Mehrheit der Bewerber erweist sich die Lage mit Blick auf das Kommunikationsverhalten der Behörde als besonders schwierig. Nicht nur bleiben die Einbürgerungsanträge auf unbestimmte Zeit unbearbeitet. Das Landesamt lässt die Beteiligten schlichtweg im Dunkeln. Von Anfragen zum Bearbeitungsstand wird schon im Vorfeld abgeraten. Selbst Rückfragen zur Vollständigkeit der eingereichten Unterlagen werden nicht beantwortet. Angaben über die zu erwartenden Bearbeitungszeiten fehlen vollständig. Man ist noch nicht einmal bereit die Kriterien zu benennen, nach denen sich die Reihenfolge der Bearbeitungen bestimmt. So weiß kein Außenstehender, wer länger warten muss und warum.  


(K)Eine Lösung: Untätigkeitsklage?


Viele Bewerber haben nun die Geduld verloren und suchen Hilfe bei Gericht mittels Untätigkeitsklage gegen die Einbürgerungsbehörde. Grundsätzlich kann nach § 75 Satz 1 VwGO Klage auf Einbürgerung erhoben werden, wenn die Behörde ohne zureichenden Grund keine Sachentscheidung in angemessener Frist getroffen hat. Das birgt aber einige Gefahren mit sich. 


Denn erfolgt dann die Einbürgerung während des gerichtlichen Verfahrens und wird daraufhin die Klage für erledigt erklärt, legt das Gericht die Kosten nur dann der Behörde auf, wenn sie über einen hinreichend langen Zeitraum hinweg untätig war und deshalb Anlass zur Klageerhebung gegeben hat.


In Einbürgerungsfällen gestehen aber viele Gerichte den zuständigen Behörden großzügig bemessene Bearbeitungszeiträume zu. So hat das hessische Oberverwaltungsgericht jüngst entschieden, dass sich die Bearbeitung eines Einbürgerungsantrages im zeitlich angemessenen Rahmen bewegt, solange noch keine 12 Monate vergangen sind (Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 20.08.2024 - 3 B 1062/24, juris Rn. 20). Das ist wohlgemerkt die vierfache gesetzliche Frist!


Eine schnellere Lösung: Anwaltliche Akteneinsicht


Gerade für die in Berlin gestellten Einbürgerungsanträge besteht ein selten bedachter Mittelweg. Da die Akten dort digital geführt werden, stellt die Behörde zugelassenen Rechtsanwälten auf deren Antrag hin den gesamten Inhalt der Einbürgerungsakte digital zur Verfügung. Weil der Vorgang weitestgehend automatisiert abläuft, lässt sich so innerhalb weniger Tage umfassend Einblick in den aktuellen Bearbeitungsstand gewinnen. Auf dieser Grundlage kann dann viel besser entschieden werden, ob die Untätigkeitsklage zum gegenwärtigen Zeitpunkt das richtige Mittel der Wahl ist. Gerade auch für Einbürgerungsbewerber, die aus Kostengründen bisher auf anwaltliche Hilfe verzichtet haben, bietet dieser Weg die Möglichkeit, zu vergleichsweise überschaubaren Kosten Klarheit zum Stand des eigenen Verfahrens zu erlangen. 


Allerdings wird die anwaltliche Akteneinsicht nicht von jeder Kanzlei als isolierte Dienstleistung angeboten und muss daher individuell bei der gewünschten Rechtsvertretung erfragt werden.