In seinem Urteil vom 24.03.2023 (1 Sa 1217/22) hat das Landesarbeitsgericht Hamm entschieden, dass der Begriff „Freizeitausgleichsansprüche“ auch Ansprüche auf die Vergütung von Überstunden beinhalten kann.

Im zugrundeliegenden Fall wurde über eine  Kündigung aus dem Jahr 2021 gestritten; das Arbeitsverhältnis wurde jedoch durch einen gerichtlich protokollierten Vergleich beendet.

Hierbei wurde unter Ziffer 4 des Vergleichs festgesetzt, dass der Kläger „unwiderruflich unter Fortzahlung der Vergütung sowie unter Anrechnung auf etwaig noch offene Urlaubs- und Freizeitansprüche bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses freigestellt“ wird.

Eine Erledigungsklausel wurde jedoch nicht in den Vergleich aufgenommen. Eine solche regelt grundsätzlich, dass der geschlossene Vergleich zwischen den Parteien alles relevante beinhaltet und weiterreichende Ansprüche damit nicht mehr geltend gemacht werden können.


Streitgegenstand

Nach dem Verfahren über die Kündigungsschutzklage des Klägers machte dieser in einem weiteren Verfahren Zahlungsansprüche aus noch nicht ausgezahlten Überstunden geltend; insgesamt 553, 20 Stunden.

Zwar habe die Beklagte diese Überstunden nicht direkt angeordnet, doch war der Kläger der Ansicht, sie habe die Stunden geduldet, da sie diese nicht unterbunden habe. Auch die im Vergleich geschlossene Freistellung habe seiner Meinung nach nicht zur Folge, dass er seinen Anspruch auf Überstundenvergütung verliere. Der Vergleich beziehe sich lediglich auf „Urlaubs- und Freizeitansprüche“ in Form von Feiertagen.


Die Beklagte forderte, die Klage abzuweisen. Weder habe sie ausdrücklich Überstunden angeordnet, noch habe sie diese geduldet, indem sie diese nicht unterbunden habe. Der Kläger habe seine Arbeitszeit flexibel gestalten können, solange diese sich jedoch am Rahmen der vereinbarten Zeit im Arbeitsvertrag orientierte. Er habe allerdings nicht selbst darüber entscheiden dürfen, Überstunden abzuleisten.  

Ebenso sehe sie den Anspruch auf Überstundenvergütung als nicht gegeben, denn dieser sei mit dem Freizeitausgleichsanspruch erloschen.  


Entscheidung des LArbG Hamm

Das LArbG Hamm wies die Berufung des Klägers als unbegründet ab.

Ein Anspruch des Klägers erwachse lediglich aus § 5 I seines Arbeitsvertrages vom 22.01.2004 in Verbindung mit § 611a II BGB. Aufgrund des von den Parteien geschlossenen Vergleichs, welcher unter Ziffer 4 festsetzte, dass mögliche Ansprüche auf Überstundenvergütung erlöschen, habe der Kläger hieraus keinen Anspruch mehr.

Denn ein Schuldverhältnis erlösche gemäß § 364 II BGB, wenn der Kläger eine andere als die geschuldete Leistung an Erfüllung statt angenommen habe. So wurde durch Ziffer 4 des Vergleichs geregelt, dass der Kläger unter Fortzahlung der Vergütung sowie unter Anrechnung auf etwaig noch offene Urlaubs- und Freizeitausgleichsansprüche bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses freigestellt werde.


Auslegung des Begriffs „Freizeitausgleichsanspruch“

Fraglich war nun, ob nach Ansicht der Parteien offene Überstundenvergütungsansprüche von den „Freizeitausgleichansprüchen“ umfasst werden sollten.

Hierfür musste das Gericht den Begriff „Freizeitausgleichsansprüche“ gem. §§ 133, 157 BGB auslegen. Der Vergleich müsse grundsätzlich so ausgelegt werden, wie die Parteien ihn nach der Verkehrssitte zu verstehen gehabt haben. Hierbei können jedoch auch äußere Faktoren einbezogen werden, die auf den wirklichen Willen der jeweiligen Parteien schließen lassen. Dazu gehören unter anderem die Interessenlage der Parteien sowie der Grund für die Abgabe der Willenserklärungen.


Unter Berücksichtigung dieser Aspekte entschied das LAG Hamm, dass der Begriff „Freizeitausgleichsanspruch“ weit verstanden werden müsse. Somit sollen nach Auffassung des Gerichts jegliche Ansprüche darunter fallen, die „der Kompensation für ein erbrachtes Arbeitszeitvolumen zuzurechnen sind, das die durchschnittliche Arbeitszeit überschritten hat.“

Durch die Verwendung des in  derartigen Vergleichen gebräuchlichen Begriffs des „Freizeitausgleichsanspruchs“ haben die Parteien regeln wollen, dass auch Ansprüche auf Überstunden in den Freistellungszeitraum fallen und somit verrechnet werden. Dies erfülle den Zweck eines Vergleichs; nämlich die weitere Streitvermeidung, welche so garantiert werden könne und einem gegenseitigen Nachgeben gem. § 779 I BGB entspreche.

Dass dies auch der Auffassung des Klägers gerecht werde, sei daran erkenntlich, dass es dem Kläger nicht möglich war, zu erklären, welche anderen Ansprüchen unter „Freizeitausgleichansprüche“ fallen sollten. Die Behauptung, er habe dabei an Ausgleich für Feiertage gedachte, überzeugte nicht.  


Keine Billigung der Überstunden durch die Beklagte

Außerdem konnte der Kläger nicht substanziiert darlegen, dass die Überstunden von der Beklagten angeordnet oder gebilligt wurden. Es könne nicht angenommen werden, dass die Beklagte die Überstunden geduldet habe, wenn sie bei flexiblen Arbeitszeiten nicht darauf hingewiesen wurde. Eine behauptete Anordnung oder Billigung müsse nach Rechtsprechung des BAG (5 AZR 359/21) der Kläger im Zivilprozess beweisen.

Einen Beweis hierfür konnte der Kläger allerdings nicht vorbringen.