1. Was wurde vom Bundesfinanzhof (BFH) entschieden?
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat in seinem Urteil vom 25.09.2024 (Az.: XI R 6/23) klargestellt, dass strafrechtlich eingezogene Tatentgelte – wie etwa Bestechungsgelder – die Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer mindern können. Dies geschieht durch eine teleologische Reduktion des § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG und eine Berichtigung der Umsatzsteuer gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG. Im Kern darf es durch strafrechtliche Einziehung nicht zu einer Doppelbelastung kommen, also einer doppelten finanziellen Bestrafung durch Steuer und Einziehung.
2. Wann genau mindert die Einziehung die Umsatzsteuer?
Wird Geld aus einer Straftat eingezogen (z.B. Bestechungsgelder), mindert dieser Betrag die Umsatzsteuer, die der Täter ursprünglich dafür entrichtet hat. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die eingezogenen Beträge tatsächlich an die Staatskasse gezahlt wurden. Erst zum Zeitpunkt der erfolgreichen Einziehung wird die bereits gezahlte Umsatzsteuer korrigiert.
Beispiel: Ein Bauleiter nimmt Bestechungsgelder in Höhe von 10.000 Euro an und zahlt darauf Umsatzsteuer. Wird dieses Geld später strafrechtlich eingezogen und zahlt der Täter es an die Staatskasse, darf er seine Umsatzsteuer dementsprechend nach unten korrigieren.
3. Warum darf es keine doppelte Belastung geben?
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) und der Europäische Gerichtshof (EuGH) haben deutlich gemacht, dass eine doppelte Belastung – also Einziehung plus Steuer – gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz und das unionsrechtliche Prinzip der Steuerneutralität verstößt. Ein Täter soll nicht schlechter gestellt werden als andere Steuerpflichtige.
4. Was sagt das Gesetz genau dazu? (§§ 10, 17 UStG)
- § 10 Abs. 1 Satz 1 UStG definiert grundsätzlich die Bemessungsgrundlage der Umsatzsteuer, nämlich alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten.
- § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG erlaubt nachträgliche Änderungen dieser Bemessungsgrundlage. Die Korrektur erfolgt, wenn sich die Grundlage für die Berechnung verändert hat – beispielsweise durch die Einziehung.
5. Welche Voraussetzungen sind konkret zu beachten?
Die entscheidenden Voraussetzungen sind:
Der Betrag muss tatsächlich eingezogen und an die Staatskasse geleistet worden sein.
Die Einziehung darf nicht nur eine reine strafrechtliche Sanktion sein, sondern muss tatsächlich dazu führen, dass der Täter das Geld nicht behält.
Die Korrektur erfolgt erst nach endgültiger Zahlung der eingezogenen Beträge.
6. Was sollten Sie tun, wenn Sie betroffen sind?
Falls bei Ihnen eine solche strafrechtliche Einziehung vorgenommen wurde, sollten Sie Folgendes beachten:
Dokumentieren Sie jede Zahlung an die Staatskasse sorgfältig.
Beantragen Sie die Korrektur der Umsatzsteuer unverzüglich beim zuständigen Finanzamt.
Begründen Sie Ihren Antrag ausdrücklich mit dem Urteil des BFH (XI R 6/23).
Lassen Sie sich dabei gegebenenfalls steuerrechtlich und strafrechtlich beraten, um Formfehler zu vermeiden.
7. Praxisbeispiele – so wenden Gerichte das Gesetz an
Beispiel 1: Korruption im Bauwesen Ein Bauunternehmer erhält illegale Zahlungen für bevorzugte Vergaben. Er versteuert diese Beträge zunächst regulär. Nach der strafrechtlichen Verurteilung und Zahlung an die Staatskasse darf er die Umsatzsteuer rückwirkend korrigieren.
Beispiel 2: Bestechung im Beschaffungswesen Ein Mitarbeiter erhält Geld für die Bevorzugung bestimmter Lieferanten. Auch hier gilt: Nach strafrechtlicher Einziehung darf der Täter seine Umsatzsteuer nachträglich mindern.
Beispiel 3: Vorteilsannahme durch Fahrzeugnutzung Ein verurteilter Mitarbeiter nutzt weiterhin ein Fahrzeug, das ihm als Vorteil überlassen wurde. Entscheidend ist, ob der Vorteil noch im Streitjahr relevant ist. Andernfalls könnte eine Korrektur teilweise ausgeschlossen sein.
8. Sonderfall: Fahrzeugnutzung nach der Tat
Schwierig wird es, wenn Vorteile wie ein Pkw erst nach Beendigung der eigentlichen Tat weiter genutzt werden. Hier muss genau geprüft werden, ob der Vorteil tatsächlich in das Streitjahr fällt. Dies entscheidet letztendlich über die Möglichkeit der Korrektur der Umsatzsteuer.
Zusammenfassung & Tipp:
Das Urteil des BFH vom 25.09.2024 hilft Steuerpflichtigen, eine ungerechte Doppelbelastung bei eingezogenen Tatentgelten zu vermeiden. Wichtig ist, aktiv die Umsatzsteuerkorrektur beim Finanzamt einzufordern und sämtliche Zahlungen genau zu dokumentieren.
Ihr Rechtsanwalt und Strafverteidiger
Christian Keßler
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