1. Sachverhalt
Ein Bauingenieur, angestellt bei einem landeseigenen Bau- und Liegenschaftsbetrieb, wurde von einer Kollegin der sexuellen Belästigung beschuldigt. Konkret ging es um zwei Situationen an einem Arbeitstag: Zum einen soll der Kläger bei einer Abteilungsversammlung die Kollegin an der Schulter berührt und sie als "Schätzchen" bezeichnet haben. Später am selben Tag soll er ihr im Büro im Vorbeigehen auf das Gesäß geschlagen haben. Der Bauingenieur bestritt die Vorwürfe.
Das beklagte Land nahm die Vorfälle zum Anlass, eine Abmahnung wegen sexueller Belästigung auszusprechen und ordnete zudem die Umsetzung des Bauingenieurs an einen anderen Standort an, um eine räumliche Trennung zu erreichen. Der Betroffene klagte daraufhin gegen beide Maßnahmen.
2. Entscheidung
Das Landesarbeitsgericht Köln (Urteil vom 25.02.2025 – 7 SLa 456/24) entschied differenziert:
Zur Abmahnung:
Die Abmahnung war unwirksam und muss aus der Personalakte entfernt werden. Die Beweisaufnahme ergab, dass die behaupteten Vorfälle nicht mit der nötigen Sicherheit nachgewiesen werden konnten. Die Zeugenaussagen waren in wesentlichen Punkten widersprüchlich, insbesondere hinsichtlich Ort und Zeit des angeblichen Übergriffs. Damit fehlte die Grundlage für eine formwirksame Abmahnung.Zur Umsetzung:
Die Umsetzung an einen anderen Dienstort blieb hingegen bestehen. Das Gericht stellte klar: Arbeitgeber dürfen auf Konfliktlagen reagieren und Maßnahmen im Rahmen des Direktionsrechts ergreifen, selbst wenn eine Pflichtverletzung nicht abschließend nachgewiesen ist. Entscheidend sei, dass die Umsetzung verhältnismäßig ist, dem Betriebsfrieden dient und keine sachfremden Erwägungen erkennbar sind.
Zudem sei die Maßnahme durch eine ordnungsgemäße Beteiligung des Personalrats abgesichert gewesen.
3. Praxishinweis
Für Arbeitgeber:
Das Urteil zeigt praxisrelevant auf: Arbeitgeber haben in Konfliktsituationen ein weites Ermessen. Sie dürfen Maßnahmen wie Umsetzungen oder Versetzungen auch dann anordnen, wenn der konkrete Pflichtverstoß (z.B. eine sexuelle Belästigung) nicht abschließend bewiesen ist. Voraussetzung ist jedoch, dass die Maßnahme verhältnismäßig und gut dokumentiert ist.
Für Abmahnungen gelten strengere Maßstäbe: Sie sind nur zulässig, wenn der Pflichtverstoß gerichtsfest nachweisbar ist. Arbeitgeber sollten daher – insbesondere bei sensiblen Vorwürfen wie sexueller Belästigung – genau abwägen, ob sie zur Abmahnung oder „nur“ zu anderen konfliktlösenden Maßnahmen greifen.
Für Arbeitnehmer:
Beschäftigte können sich erfolgreich gegen eine Abmahnung wehren, wenn der Arbeitgeber den vorgeworfenen Sachverhalt nicht zweifelsfrei belegen kann. Dennoch sollten Arbeitnehmer beachten, dass Maßnahmen wie Umsetzungen auch ohne abschließenden Nachweis rechtmäßig sein können, solange sie der Deeskalation und Aufrechterhaltung des Betriebsfriedens dienen.
In Konfliktfällen empfiehlt es sich, rechtzeitig anwaltlichen Rat einzuholen, sachlich aufzutreten und eigene Schutzinteressen mit Blick auf die berufliche Weiterentwicklung umsichtig zu wahren.