Das Oberlandesgericht (OLG) Oldenburg hat mit Urteil vom 30.12.2024 (Az. 13 U 116/23) eine richtungsweisende Entscheidung getroffen: Erben steht nicht nur ein passiver Zugriff auf Social-Media-Konten Verstorbener zu, sondern auch das Recht, diese aktiv zu nutzen. Diese Entscheidung erweitert den rechtlichen Rahmen, den der Bundesgerichtshof (BGH) bislang vorgegeben hatte, erheblich.
Der Fall: Zugriff auf das Instagram-Konto eines Verstorbenen
Im Zentrum des Verfahrens stand der Instagram-Account des 2019 verstorbenen Castingshow-Gewinners Alphonso Williams. Seine Witwe, zugleich Alleinerbin, hatte den Account nach seinem Tod weitergenutzt. Meta versetzte das Konto jedoch 2022 in den sogenannten „Gedenkzustand“, wodurch die aktive Nutzung unmöglich wurde. Die Witwe klagte daraufhin, um den uneingeschränkten Zugang zurückzuerlangen.
Das Urteil: Erben treten in Vertragsverhältnis ein
Das OLG Oldenburg entschied, dass Erben gemäß § 1922 BGB im Rahmen der Gesamtrechtsnachfolge in das Vertragsverhältnis mit dem Plattformbetreiber eintreten. Diese Rechtsnachfolge umfasse nicht nur den passiven Zugriff auf bestehende Inhalte, sondern auch das Recht zur aktiven Nutzung des Accounts. Dabei stützte sich das Gericht auf ein Grundsatzurteil des BGH aus dem Jahr 2018 (Az. III ZR 183/17), das die grundsätzliche Vererbbarkeit digitaler Inhalte bestätigte.
Keine „höchstpersönliche“ Natur der Leistungen
Das OLG widersprach der Auffassung von Meta, die aktive Nutzung eines Kontos sei aufgrund der „höchstpersönlichen“ Natur des Vertrags ausgeschlossen. Es argumentierte, dass die von Meta erbrachten Leistungen – wie die Bereitstellung der Plattform und die Veröffentlichung von Inhalten – keinen Bezug zur Person des ursprünglichen Kontoinhabers aufwiesen. Auch die Pflichten des Kontoinhabers, wie das Veröffentlichen von Inhalten, seien nicht so individuell, dass ein Übergang auf Erben die Wesensnatur des Vertragsverhältnisses beeinträchtigen würde.
Bedeutung für die Praxis
Dieses Urteil stellt einen bedeutenden Meilenstein in der Rechtsprechung zur digitalen Nachlassverwaltung dar. Es zeigt, dass Social-Media-Konten und deren Nutzung nicht ausschließlich an die Person des ursprünglichen Inhabers gebunden sind. Vielmehr handelt es sich um vererbbare Vertragsverhältnisse, die auch die aktive Nutzung durch Erben umfassen können.
Revision zugelassen
Obgleich die Entscheidung wegweisend ist, bleibt die endgültige Klärung der Rechtslage abzuwarten. Die Revision zum BGH wurde zugelassen, sodass möglicherweise eine höchstrichterliche Entscheidung folgen wird, die diesen Rechtsbereich weiter präzisiert.
Benötigen Sie Unterstützung bei der Nachlassregelung oder in anderen erbrechtlichen Auseinandersetzungen? Kontaktieren Sie mich für eine rechtliche Ersteinschätzung sehr gerne. Mein Team und ich helfen Ihnen kompetent und zuverlässig weiter.
Ihre
Rechtsanwältin
Julia Ehmer
Kanzlei Ehmer
www.kanzleiehmer.de.