Sachverhalt

In einem vom Arbeitsgericht Hamburg entschiedenen Fall (ArbG Hamburg – 17 Ca 110/11) stritten eine Arbeitgeberin und ihre kaufmännische Mitarbeiterin über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung. Die Mitarbeiterin war bereits seit mehreren Jahren im Unternehmen beschäftigt und verdiente zuletzt knapp 3.841 Euro brutto im Monat. Das Unternehmen kündigte ihr mit der Begründung, die Aufgaben der Lohn- und Gehaltsabrechnung würden aus dem Betrieb ausgelagert, sodass ihr Arbeitsplatz vollständig wegfalle.

Nach Darstellung der beklagten Arbeitgeberin ergebe sich kein Bedarf mehr für die Weiterbeschäftigung der Klägerin, da die bisher von ihr erledigten Tätigkeiten nun durch einen externen Dienstleister und zusätzlich vorhandenes Personal übernommen werden könnten. Ein Teil dieser Tätigkeiten (u. a. die Vorbereitung der Gehaltsabrechnung) soll nach und nach ausgelagert worden sein, sodass für die Klägerin kein vollwertiger Aufgabenbereich mehr verblieb. Ferner sollten gewisse Restaufgaben – etwa die Betreuung von Auszubildenden und die Koordination der betrieblichen Altersversorgung – durch andere Mitarbeiterinnen innerhalb des Betriebes übernommen werden.

Die Arbeitnehmerin hingegen betonte, dass bereits in der Vergangenheit eine externe Firma mit Teilen der Abrechnung befasst gewesen sei. Sie selbst habe regelmäßig vorbereitende Arbeiten geleistet, die ohnehin weiterhin intern anfallen würden. Zudem machte sie geltend, sie habe einen wesentlichen Anteil an der Betreuung der Auszubildenden, was allein schon keine marginale Restaufgabe darstelle. Auch in Bezug auf die betriebliche Altersversorgung und die Betreuung mehrerer Hundert Versorgungsempfänger sah sie weiterhin umfangreiche Arbeitszeiten gebunden, die nicht „einfach so“ anderen Kolleginnen zusätzlich aufgebürdet werden könnten.

Darüber hinaus argumentierte die Mitarbeiterin, dass im Unternehmen zeitnah eine neue Vollzeitkraft für ähnliche Aufgabenbereiche eingestellt worden sei. Sie selbst hätte auf diese neu geschaffene Stelle passen können, was eine Weiterbeschäftigung ermöglicht hätte. Ein anderer freier Arbeitsplatz sei ebenfalls nicht angeboten worden. Schließlich zweifelte sie auch an einer korrekten Sozialauswahl, falls ihr Arbeitsplatz tatsächlich weggefallen sein sollte.

Die Arbeitgeberin hielt dagegen, sämtliche ihre Entscheidung tragenden Gründe seien innerbetrieblich gerechtfertigt und man habe detaillierte organisatorische Maßnahmen getroffen, um die Tätigkeit im Bereich der Abrechnung dauerhaft aus dem Betrieb zu verlagern. Damit habe sich das Bedürfnis, die Klägerin zu beschäftigen, endgültig erledigt.

Entscheidung

Das Arbeitsgericht Hamburg bejahte die Anwendbarkeit des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG), weil das Unternehmen regelmäßig mehr als zehn Vollzeitmitarbeitende beschäftigt. Damit musste die Arbeitgeberin nach § 1 Abs. 2 KSchG darlegen, dass „dringende betriebliche Erfordernisse“ gegen eine Weiterbeschäftigung sprachen.

Das Gericht stellte zunächst klar, dass eine betriebsbedingte Kündigung sowohl auf außerbetriebliche als auch auf innerbetriebliche Ursachen gestützt sein könne. Für eine innerbetriebliche Ursache – wie hier die angebliche Unternehmerentscheidung, bestimmte Aufgaben auszulagern und den Personalbestand zu reduzieren – müsse das Unternehmen jedoch präzise nachweisen, wie sich die neu organisierte Arbeit im Betrieb verteile.

Der Arbeitgeber müsse laut Gericht:

  1. Konkret beschreiben, welche Tätigkeiten bisher vom gekündigten Arbeitnehmer verrichtet wurden.

  2. Darlegen, in welchem Umfang diese Tätigkeiten nach der unternehmerischen Umstrukturierung tatsächlich entfallen sollen oder in verminderter Form anfallen.

  3. Nachvollziehbar belegen, wie sich die Restaufgaben auf verbliebene Mitarbeiter verteilen lassen, ohne dass es zu einer unzumutbaren Arbeitsverdichtung oder Gesetzesverstößen (z. B. Überschreitung der zulässigen Arbeitszeit) kommt.

Im entschiedenen Fall sah das Gericht diese Anforderungen nicht erfüllt. Die Beklagte hatte lediglich behauptet, die Arbeiten der Klägerin (Anteil Lohnbuchhaltung, Anteil betriebliche Altersversorgung, Anteil Auszubildenden-Betreuung) würden entweder ausgelagert oder unternehmensintern verteilt. Konkrete Angaben dazu, wie viele Stunden pro Monat für die externe Abrechnung tatsächlich einzusparen seien und in welchem genauen Umfang die verbleibenden Tätigkeiten anderen Mitarbeiterinnen zugeteilt werden könnten, fehlten. Gerade der Aufwand für die Betreuung von Auszubildenden und die Administration der betrieblichen Altersversorgung war nach Auffassung des Gerichts nicht plausibel belegt.

Auch die Frage, ob am Ende für die Verteilung auf andere Beschäftigte wirklich noch freie Kapazitäten vorhanden waren oder ob womöglich eine Arbeitsverdichtung vorgenommen wurde, die über das zulässige Maß hinausgegangen wäre, blieb offen. Eine bloß pauschale Darlegung, die Tätigkeit entstehe nicht mehr oder werde von anderen Beschäftigten miterledigt, genügt laut Gericht nicht.

Angesichts dieser lückenhaften Darstellung konnte das Arbeitsgericht Hamburg nicht feststellen, dass die Kündigung tatsächlich durch eine wirksame Unternehmerentscheidung gedeckt war. Auch blieb offen, ob der Arbeitgeber seiner Pflicht zur Prüfung freier Arbeitsplätze nachgekommen ist. Nach § 1 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KSchG muss der Arbeitgeber grundsätzlich schauen, ob sich der Mitarbeiter auf einer anderen freien Stelle weiterbeschäftigen lässt – selbst wenn dies unter geänderten Bedingungen (z. B. Teilzeit oder andere Aufgaben) stattfinden müsste, solange dies zumutbar ist.

Infolgedessen erklärte das Gericht die Kündigung für sozial ungerechtfertigt. Die Klägerin gewann das Verfahren und durfte in ihrem bisherigen Beschäftigungsverhältnis bleiben. Der Arbeitgeber wurde gleichzeitig verpflichtet, die Mitarbeiterin unverändert weiterzubeschäftigen.

Praxishinweise

  1. Sorgfältige Dokumentation der Unternehmensentscheidung
    Betriebe, die eine betriebsbedingte Kündigung aussprechen wollen, müssen sich darüber im Klaren sein, dass die Gerichte eine anspruchsvolle Prüfung vornehmen. Pauschale Aussagen wie „wir haben uns entschlossen, diesen Bereich zu schließen“ reichen nicht aus. Unternehmen müssen klar und umfassend darlegen können, warum es dauerhaft weniger Personal gibt und wie sich dies konkret auf den betroffenen Arbeitsplatz auswirkt.

  2. Exakte Darstellung des Wegfalls oder der Verlagerung von Aufgaben
    Arbeitgeber sollten präzise Stundenberechnungen, Arbeitspläne und Prozessbeschreibungen vorbereiten, um dem Gericht oder gegebenenfalls dem Betriebsrat zu demonstrieren, dass ein Aufgabenbereich tatsächlich wegfällt oder relevant verkleinert wird. Ein Kernargument für Gerichte ist, ob die behaupteten Änderungen auch tatsächlich durchgeführt werden und wie sie zeitlich sowie inhaltlich aussehen.

  3. Keine überobligatorische Arbeitsverdichtung
    Selbst wenn bestimmte Aufgaben weniger werden oder externe Dienstleister eingreifen, bleibt die Frage offen, wie die weiterhin anfallende Arbeit verteilt wird. Können vorhandene Mitarbeitende dies rechtmäßig auffangen, ohne dass sie unzumutbar viele Überstunden ansammeln müssen? Je genauer ein Unternehmen belegt, dass die Verteilung der Tätigkeiten fair und im Rahmen der gesetzlichen Arbeitszeitvorgaben möglich ist, desto eher kann eine Kündigung Bestand haben.

  4. Alternative Beschäftigungsmöglichkeiten prüfen
    Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts muss geprüft werden, ob ein anderweitiger Arbeitsplatz im Betrieb oder Unternehmen zur Verfügung steht, auf dem der Arbeitnehmer (ggf. nach entsprechender Anpassung seines Vertrags) weiterbeschäftigt werden könnte. Diese Pflicht wird in der Praxis oft vernachlässigt. Insbesondere größere Konzerne mit mehreren Standorten oder Tochtergesellschaften sind hier in der Pflicht, alle Optionen in Betracht zu ziehen.

  5. Sozialauswahl fehlerfrei durchführen
    Falls mehrere Mitarbeitende vergleichbar sind, muss der Arbeitgeber eine Sozialauswahl nach den Kriterien Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung vornehmen (§ 1 Abs. 3 KSchG). Wer hier schlampt oder bestimmte Personen unberücksichtigt lässt, riskiert, dass die Kündigung schon an diesem Punkt scheitert.

  6. Praxisrelevanz: Vorbeugung von kostspieligen Rechtsstreitigkeiten
    Der hier dargestellte Fall des Arbeitsgerichts Hamburg illustriert, wie wichtig es ist, betriebsbedingte Kündigungen sorgfältig und umfassend vorzubereiten. Arbeitgeber, die die notwendigen Darlegungen zu den hinterlegten Personalabbauentscheidungen nicht in der Hand haben, unterliegen schnell im Kündigungsschutzprozess – mit der Folge, dass das Arbeitsverhältnis fortbesteht und ggf. zusätzlich Prozesskosten anfallen.

  7. Gespräche und Einigungen statt harter Schnitte
    Betriebsbedingte Kündigungen sind in der Praxis selten ohne längere Auseinandersetzungen. Oft lohnt es sich für beide Seiten, vorab über freiwillige Aufhebungsverträge, Abfindungen oder alternative Weiterbeschäftigungen zu sprechen. Eine einvernehmliche Lösung kann Zeit, Nerven und Prozessrisiken ersparen.

Eine betriebsbedingte Kündigung setzt weit mehr voraus, als nur den pauschalen Hinweis auf eine interne Umstrukturierung. Arbeitgeber müssen ihre Entscheidung (zum Beispiel die Auslagerung von Aufgaben) sauber begründen und anhand klarer Zahlen, Arbeitsverteilungspläne und stichhaltiger Prognosen belegen. Dabei ist nicht nur das „Ob“ des Wegfalls von Tätigkeiten relevant, sondern genauso das „Wie“: Wie werden Restaufgaben verteilt, wie viel Zeitbedarf haben sie tatsächlich und wie sieht die tägliche Praxis im Unternehmen aus?

Im verhandelten Fall vor dem Arbeitsgericht Hamburg (ArbG Hamburg, 17 Ca 110/11) zeigte sich, dass eine ungenaue Darlegungslast schnell zum Bumerang werden kann. Am Ende scheiterte die Kündigung vor allem daran, dass die beklagte Arbeitgeberin nicht schlüssig darstellen konnte, wie die Arbeit der Klägerin konkret ausgelagert und wie die verbleibenden Aufgaben systematisch an andere Beschäftigte verteilt werden sollten. Unternehmen, die betriebsbedingte Kündigungen planen, sollten sich daher intensiv mit den genannten Punkten auseinandersetzen, um vor Gericht nicht ins Stolpern zu geraten – denn das kann teuer und imageschädigend enden.