Angesichts des knapper werdenden Wohnraumes (dazu auch lesenswert: https://rechtsanwalt-erler.de/die-krise-im-wohnungsbau/) wird die Umsetzung von Bebauungsplänen immer schwieriger – mit § 13b BauGB hatte der Bundesgesetzgeber eine neue Möglichkeit geschaffen, die langwierigen Bauleitplanverfahren am Ortsrand abzukürzen bzw. zu beschleunigen.
Mit Urteil vom 18.07.2023 (Az. 4 CN 3/23) erklärte das Bundesverwaltungsgericht § 13b BauGB nun für unanwendbar und konstatiert, die Vorschrift, die bisher für eine deutliche Erleichterung bei der Aufstellung von Bebauungsplänen sorgte, verstoße gegen die sog. SUP-Richtlinie (RL 2001/42/EG), also gegen Unionsrecht.
Das Bundesverwaltungsgericht schlägt mit seiner Entscheidung eine neue Richtung für die Überplanung von Außenbereichsflächen ein und sorgt für weitreichende Änderung sowohl für laufende Bauverfahren sowie für auf Grundlage in Rechtskraft erwachsener Bebauungspläne bereits erteilter Baugenehmigungen.
Bisherige Rechtslage
§ 13b BauGB sorgte für großzügige Erleichterungen bei der Bebauung des Außenbereichs. Die Vorschrift erweiterte die Regelungen des § 13a BauGB auf Bebauungspläne, die
- über ein Plangebiet von bis zu 10.000m2
- für Wohnnutzungen verfügen
- deren Geltungsbereich im Außenbereich gem. § 35 BauGB liegt
- und sich an im Zusammenhang bebaute Ortsteile anschließen.
§ 13a BauGB selbst enthält Erleichterungen für Bebauungspläne der Innenentwicklung und ermöglicht die Planaufstellung im beschleunigten Verfahren, insbesondere durch den Wegfall des Umweltberichts sowie von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen und die Verkürzung der Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung. Im beschleunigten Verfahren können Bebauungspläne außerdem abweichend von den Darstellungen des Flächennutzungsplans auch dann aufgestellt werden, sofern dieser wird im Nachhinein geändert oder ergänzt wird, vgl. § 13a Abs. 2 Nr. 2 BauGB.
Der „Paukenschlag“ des Bundesverwaltungsgerichts
Das Bundesverwaltungsgericht entschied, § 13b BauGB sei mit der Richtlinie über die strategische Umweltprüfung – Richtlinie 2001/42/EG (sog. SUP-Richtlinie) nicht vereinbar.
Die Richtlinie stellt sicher, dass bei der Ausarbeitung, Annahme und Durchführung von relevanten öffentlichen Plänen und Programmen ein hohes Umweltschutzniveau gewahrt und Umwelterwägungen einbezogen werden. Hierzu legt die Richtlinie ein Verfahren und eine Reihe von Prüfungsschritten fest, die auch durch generelle Regelungen des nationalen Gesetzgebers erfolgen können.
In Umsetzung der Vorgaben sah § 13b BauGB als Ausnahmeregelung vor, alle Bebauungspläne für Wohnnutzungen mit einem Plangebiet von bis zu 10.000m2 im Außenbereich, die sich an im Zusammenhang bebaute Ortsteile anschließen, von dieser Umweltprüfung zu befreien. Diese Ausnahme hält das Bundesverwaltungsgericht jedoch für zu pauschal, um – wie von der Richtlinie vorgesehen – erhebliche Umwelteinwirkungen zuverlässig von vornherein auszuschließen. Dies ergebe sich schon daraus, dass die Vorschrift von einer Differenzierung zwischen der bisherigen Nutzung der potenziell betroffenen Flächen und der Bandbreite ihrer ökologischen Wertigkeit absieht.
Entgegen der Ansicht des Bundesgesetzgebers schlössen die Anwendungsvoraussetzungen des § 13b BauGB eine Beeinträchtigung von Umweltbelangen nicht hinreichend aus. Das Fehlen der somit erforderlichen Umweltprüfung führe zu einem nach § 214 BauGB beachtlichen Fehler, sodass § 13b BauGB daher wegen des geltenden Vorrangs des Unionsrechts nicht angewandt werden dürfe.
Konsequenzen für laufende und abgeschlossene Bebauungsplanverfahren
Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sorgte zunächst für Unsicherheiten vieler Gemeinden, da mangels nunmehr wirksamer Rechtsgrundlage unklar war, wie mit laufenden Aufstellungsverfahren oder bereits in Kraft getretenen Bebauungsplänen auf Grundlage des § 13b BauGB zu verfahren ist. Um kurzfristige Handlungsmöglichkeiten zu schaffen, hat der Gesetzgeber im Zuge der Verabschiedung des Gesetzes für die Wärmeplanung und zur Dekarbonisierung der Wärmenetze die Vorschrift des § 215a BauGB als eine Art „Reparaturvorschrift“ eingeführt, die am 01.01.2024 in Kraft getreten ist. § 215a BauGB soll bezwecken, „den Mehraufwand für die Betroffenen so gering wie nach dem Europarecht möglich zu halten“ (BT-Drucksacke 20/9344, S. 91).
Die Vorschrift regelt, dass von der Abschaffung des § 13b BauGB betroffene Gemeinden eine sog. umweltrechtliche Vorprüfung des Einzelfalls durchführen müssen, vgl. § 215a Abs. 3 BauGB. Ergibt diese Vorprüfung Anhaltspunkte für erhebliche Umweltauswirkungen, ist die Gemeinde zur Durchführung einer vollwertigen Umweltprüfung und zur Erstellung eines Umweltberichts verpflichtet, an die sich eine erneute Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung anzuschließen hat (vgl. BT-Drucksacke 20/9344, S. 92). Folgt aus der Vorprüfung hingegen, dass voraussichtlich nicht mit erheblichen Umweltauswirkungen zu rechnen ist, kann das Planverfahren bei sich in Aufstellung befindlichen Plänen bzw. das dann erforderliche ergänzende Verfahren bei Bestandsplänen nach Maßgabe des § 215a Abs. 1 und 2 BauGB fortgeführt werden.
Die sonstigen Erleichterungen des zuvor geltenden vereinfachten Verfahrens wie etwa der Verzicht auf die frühzeitige Öffentlichkeitsbeteiligung und auf das Gebot der Entwicklung des Bebauungsplans aus dem Flächennutzungsplan bleiben durch Rückgriff auf die Regelungen der §§ 13a Abs. 2 Nr. 1, 13 Abs. 2 S. 1 Nr. 1-3, 13a Abs. 2 Nr. 2 BauGB bestehen (vgl. BT-Drucksache 20/9344, S. 93). Einschränkend wirkt hingegen die zeitlich begrenzte Anwendbarkeit des § 215a BauGB. So sieht § 215a Abs. 1, Abs. 2 S. 2 BauGB vor, dass der jeweilige Satzungsbeschluss der Gemeinden bis zum 31.12.2024 zu fassen ist.
Fazit
Das Bundesverwaltungsgericht sorgte mit seiner Entscheidung für einen Paukenschlag und bringt sowohl für bereits begonnene Planverfahren als auch für bestehende Bebauungspläne weitreichende Änderungen. Die neu geschaffene Vorschrift des § 215a BauGB schafft nun Rechtsklarheit und -sicherheit für betroffene Gemeinden und ist mit Blick auf die durch das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts entstandenen Rechtsunsicherheiten zu begrüßen.