-BGH Urteil vom 04.02.2025-
Im deutschen Bankrecht und Kapitalmarktrecht waren Negativzinsen bis vor einigen Jahren unbekannt. Erst im Kontext der Niedrigzinsphase der Europäischen Zentralbank haben Banken dieses bis dahin neue Stilmittel negativer Zinsen für Guthaben auf Spar- und Girokonten aufgebracht. Besonders betroffen waren Girokonten sowie Spar- und Tagesgeldkonten. Diese Regelungen warf juristische Fragen auf, die der Bundesgerichtshof (BGH) jetzt geklärt hat. Das Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 05. Februar 2025 hat für Aufsehen gesorgt, da es grundlegende Klarstellungen zur rechtlichen Zulässigkeit und Handhabung von Negativzinsen liefert. Das Urteil bezieht sich dabei auf einen konkreten Fall, in dem ein Kunde gegen die Erhebung von Negativzinsen auf seinem Sparkonto klagte.
Hintergrund und rechtliche Grundlagen
Negativzinsen entstehen, wenn Banken ihren Kunden Zinsen für Guthaben auf deren Konten berechnen, anstatt Zinsen zu zahlen. In Reaktion auf die Niedrigzinspolitik der EZB haben viele Banken Negativzinsen eingeführt, zunächst vor allem für große Einlagen und Geschäftskunden. Später wurden diese auch auf Spar- und Tagesgeldkonten ausgedehnt.
Nach den allgemeinen Vertragsregelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) sind Negativzinsen grundsätzlich bei Girokonten zulässig, wenn sie vertraglich vereinbart werden. Dies erfordert eine klare und transparente Information der Kunden. Die Transparenz der Informationen ist hier von zentraler Bedeutung, da die Kunden ein Recht auf klare und verständliche Informationen über die Bedingungen ihrer Konten haben.
Das Urteil des BGH im Detail
Der BGH erklärte, dass Bankklauseln zu Negativzinsen auf Spar- und Tagesgeldkonten unwirksam sind. Bei Girokonten sind Verwahrentgelte lediglich zulässig, sofern sie transparent sind.
Der Bundesgerichtshof hat in den Verfahren XI ZR 61/23, XI ZR 65/23 und XI ZR 161/23 entschieden, dass mit dem Verwahrentgelt eine Hauptleistung aus dem Girovertrag bepreist wird und die in Giroverträgen vereinbarten Klauseln über Verwahrentgelte zwar keiner AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle unterliegen, die Klauseln aber gegen das sich gemäß § 307 Abs. 3 S. 2 BGB auch auf das Hauptleistungsversprechen erstreckende Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB verstoßen und damit gegenüber den Verbrauchern unwirksam sind.
Giroverträge sind typengemischte Verträge, bei denen die von der Bank erbrachten Leistungen Elemente des Zahlungsdiensterechts, des Darlehensrecht und der unregelmäßigen Verwahrung aufweisen könne. Eine solche unregelmäßige Verwahrung liegt vor, wenn auf dem Girokonto ein Guthaben vorhanden ist.
Die Verwahrung von Guthaben auf Girokonten stellt neben der Erbringung von Zahlungsdiensten eine den Girovertrag prägende Leistung und damit eine Hauptleistung aus dem Girovertrag dar. In den Verfahren waren die Klauseln in Giroverträgen allerdings intransparent und aus diesem Grund unwirksam.
Die Klauseln über Verwahrentgelte für Einlagen auf Tagesgeldkonten und für Spareinlagen unterliegen demgegenüber einer AGB-rechtlichen Inhaltskontrolle, weil sie die von der Bank geschuldete Hauptleistung abweichend, von der nach Treu und Glauben geschuldete Leistung verändern. Sie halten der Inhaltskontrolle nicht stand, weil sie von wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung abweichen und die Verbraucher entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen (§ 307 Abs. 1 S. 1, 2 Nr. 1 BGB). Einlagen auf Tagesgeldkonten und Sparkonten dienen nämlich nicht nur der sicheren Verwahrung von Geldern, sondern darüber hinaus auch Anlage- und Sparzwecken.
Banken müssen somit ihre Kunden ausdrücklich auf die Möglichkeit von Negativzinsen hinweisen und diese in verständlicher Form darstellen. Das Gericht stellte klar, dass Negativzinsen nicht als sittenwidrig gelten, solange sie korrekt vertraglich geregelt sind. Ein Vertrag, der eine „Zinsgarantie“ für Einlagen bricht, könnte hingegen gegen die Grundsätze des BGB über die Vertragsfreiheit und die Treuepflicht der Vertragsparteien verstoßen.
Auswirkungen auf Banken und Verbraucher
Für Verbraucher stärkt die Entscheidung ihre Rechte: Banken müssen jetzt sicherstellen, dass sie ihre Kunden klar über mögliche Negativzinsen informieren. Kunden, die Negativzinsen ohne ausreichende Information gezahlt haben, könnten Rückforderungen geltend machen, da die Zinsen dann als unzulässig gelten. Eine solche Rückforderung könnte möglich sein, wenn die Intransparenz der Klauseln vorliegt und die Kunden nicht korrekt über die Bedingungen informiert wurden. Die Verjährungsfrist für solche Ansprüche beträgt in der Regel drei Jahre gemäß § 195 BGB, beginnend mit dem Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist.
Zukünftige Entwicklungen und Handlungsoptionen
In der Zukunft wird die Diskussion über Negativzinsen weiter relevant bleiben, insbesondere im Hinblick auf die Zinspolitik der EZB. Kunden sollten ihre Konten regelmäßig auf die Bedingungen überprüfen und gegebenenfalls ihre Bank wechseln, falls diese unklare oder unfaire Klauseln enthält. Sie haben zudem die Möglichkeit, rechtliche Schritte, sowohl individuelle Klagen als auch die Beteiligung an Musterfeststellungsklagen, einzuleiten, um zu viel gezahlte Negativzinsen zurückzufordern.
Sollten auch Sie Negativzinsen auf Sparguthaben oder Tagesgeldkonten gezahlt haben, unterstützen wir Sie gerne im Rahmen der Rückforderung.