Die Rechtsprechung entwickelt sich weiter fort und es gibt eine Vielzahl von neueren Entscheidungen, die allesamt positiv zugunsten der Auftragnehmer sind. Das gesetzliche Recht eine Sicherheitsleistung (= Bauhandwerkersicherheit) nach § 650f BGB zu verlangen, wird in der Rechtsprechung zugunsten des Handwerkers hochgehalten. Mal eine positive Nachricht!
Sinn und Zweck der Anforderung einer Sicherheitsleistung
Der Auftragnehmer hat den gesetzlichen Anspruch im Werkvertragsrecht eine Sicherheitsleistung vom Auftraggeber nach § 650f BGB (früher: § 648a BGB) zu verlangen. Die Vorschrift gibt dem Auftragnehmer aufgrund seiner Vorleistungspflicht das Recht, eine Sicherheit von dem Auftraggeber unter Fristsetzung zu verlangen. Diese Sicherheit kann die Hinterlegung von Geld oder eine Bürgschaft sein. Das Wahlrecht hinsichtlich der Art der Sicherheit hat der Auftraggeber. Meistens wird eine Bankbürgschaft durch die Auftraggeber gestellt. Viele Auftraggeber ignorieren die Forderung auf eine Sicherheitsleistung durch den Auftragnehmer. Das hat erhebliche rechtliche Konsequenzen. Der Auftragnehmer kann ganz berechtigt die Arbeiten einstellen oder den Vertrag kündigen. Das ist das einzige sichere Mittel sich als Auftragnehmer aus einem unliebsamen Vertragsverhältnis zu verabschieden.
Das OLG Köln (Urteil vom 08.05.2023 -17 U 70/22) hat entschieden, dass andere Motive des Auftragnehmers für die Forderung einer Sicherheitsleistung keine Rolle spielen. Andere Motive stellen weder eine unzulässige Rechtsausübung noch einen Verstoß gegen das bauvertragliche Kooperationsgebot dar. Kleiner Tipp am Rande: Trotzdem sollte man nicht damit hausieren gehen, dass man das Gesicht des Auftraggebers nicht mehr sehen kann. Schweigen ist Gold, um unnötige rechtliche Hürden zu vermeiden.
Angemessene Fristsetzung erforderlich
Es wird immer die Frage nach der angemessenen Frist gestellt, die der Auftragnehmer dem Auftraggeber zur Beibringung der Sicherheitsleistung stellen soll. In der Gesetzesbegründung steht ein Zeitraum von 7 bis 10 Tagen. Das wird von der Rechtsprechung durchgängig abgelehnt, da dieser Zeitraum als realitätsfern gilt. Die Rechtsprechung hält Fristen von mindestens 16 Kalendertagen für angemessen. Wenn man auf der ganz sicheren Seite sein will, so räumt man dem Auftraggeber eine Frist von 21 Kalendertagen ein.
Recht auf Sicherheitsleistung trotz Bauhandwerkersicherungshypothek
Es stellt sich die Frage bei vorheriger Eintragung einer Bauhandwerkersicherungshypothek nach §§ 650e BGB, ob man noch zusätzlich eine Sicherheitsleistung nach § 650f BGB verlangen kann. Das hat das OLG Frankfurt (Urteil vom 08.07.2024 - 19 O 100/22) ausdrücklich bejaht, wenn dadurch keine Übersicherung herbeigeführt wird. Meistens wird die Vormerkung am Grundstück nicht an ranghoher Stelle eingetragen, sondern nachrangig, da zunächst die Banken im Grundbuch eingetragen sind. Die Eintragung einer Vormerkung stellt noch kein Vollrecht dar, sodass die Sicherungshypothek nach § 650e BGB einer Sicherheit nach § 650f BGB nicht entgegensteht. Erst wenn feststeht, dass der Auftragnehmer sich aus einer Sicherungshypothek befriedigen kann, entfällt ein Sicherungsbedürfnis nach § 650f BGB.
Kurzer Prozess
Die Hürden für eine Klage auf Stellung einer Bauhandwerkersicherheitsleistung sind nicht hoch. Es reicht eine schlüssige Darlegung zur Anspruchshöhe völlig aus. Eine Beweisaufnahme entfällt damit (OLG Düsseldorf, Urteil vom 24.02.2022 – 21 U 67/21). Für die schlüssige Darlegung ist allein ausreichend, dass man von der vereinbarten vertraglichen Auftragssumme die bereits erhaltenen Zahlungen abzieht. Auf die Fälligkeit von Abschlagsrechnungen oder der Schlussrechnung kommt es hier nicht an. Vom Zeitpunkt kann man die Bauhandwerkersicherheit bereits nach Vertragsschluss jederzeit fordern. Dies ist auch noch nach Abnahme möglich, wenn Zahlungen ausstehen.
Streitwert bei Zahlungsklage und Klage auf Bauhandwerkersicherheit
Meist wird mit der Zahlungsklage auf Werklohn auch der Sicherheitsanspruch nach § 650f BGB geltend gemacht. Das führt grundsätzlich dazu, dass die jeweiligen Streitwerte addiert werden, was natürlich mit hohen Kosten einhergeht. Nunmehr ist die überwiegende Anzahl der Oberlandesgerichte der Auffassung, dass keine Addition der Streitwerte von Zahlungsklage und der Klage auf Bauhandwerkersicherheit vorgenommen wird, da eine wirtschaftliche Identität der Ansprüche vorliegt (KG, Beschluss vom 14.08.2023 - 21 W 12/23).
Bauhandwerkersicherheit trotz Mängel
Viele Auftraggeber meinen, dass ein Sicherheitsverlangen entfällt, wenn Mängel bestehen. Das ist falsch. Vielmehr kann ein Auftragnehmer trotz Mängel eine Sicherheitsleistung fordern (OLG Frankfurt, Beschluss vom 06.03.2023 - 29 U 115/22).
Auch eine berechtigte Mängelrüge verhindert den Anspruch des Auftragnehmers auf Sicherheitsleistung nicht. Selbst wenn der Bauvertrag durch den Auftraggeber aufgrund der Mängel gekündigt wurde, bleibt das Recht auf Sicherheitsleistung bestehen. Das wollen viele Auftraggeber nicht einsehen, entspricht jedoch der Rechtslage. Nunmehr gibt es eine neuere Entwicklung durch verschiedene Oberlandesgerichte, die der Ansicht sind, dass der Auftragnehmer keine Mängelbeseitigung mehr durchführen muss, wenn keine Bauhandwerkersicherheit gestellt wird (OLG Schleswig, Urteil vom 24.07.2024 - 12 U 75/23). Hier ging es darum, dass die von dem Auftragnehmer fertiggestellten Leistungen mangelhaft waren. Der Auftragnehmer verlangte eine Sicherheit, die durch den Auftraggeber nicht gestellt wurde. Daraufhin kündigte der Auftragnehmer den Werkvertrag. Das Gericht stellt fest, dass durch die Kündigung des Auftragnehmers das Nacherfüllungsstadium des Vertrags beendet wurde. Das OLG kommt dann zu der Auffassung, dass sich der Auftragnehmer auf seinen Vergütungsanspruch nur den mangelbedingten Minderwert anrechnen lassen muss. Das OLG Oldenburg (Urteil vom 05.03.2024, 2 U 115/23) geht in seiner Entscheidung sogar noch einen Schritt weiter und meint, dass sich der Auftragnehmer nicht den mangelbedingten Minderwert, sondern nur die Ersparnis anrechnen lassen muss. Das OLG ist der Meinung, dass die Kündigung die Mängelansprüche des Auftraggebers beseitigt. Die Kündigungsvergütung bemisst sich gemäß § 650f Abs. 5 S. 2 BGB ausschließlich an der vereinbarten Vergütung abzüglich infolge der Vertragsaufhebung ersparter Aufwendungen. Deswegen sind von der vereinbarten Vergütung nur die Aufwendungen abzuziehen, welche sich der Kläger infolge der durch die Kündigung entfallenden Mängelbeseitigung erspart hat. Die Ersparnis liegt meist nur in den Materialkosten, sodass sich der Auftragnehmer von seinem Vergütungsanspruch nur die ersparten Materialkosten für die Mängelbeseitigung abziehen lassen muss. Dies dürfte für den Auftragnehmer sehr positiv sein, wenn die Materialkosten nur eine untergeordnete Rolle spielen und der Lohnanteil dafür sehr hoch ist.
Mithin kann man zusammenfassend feststellen, dass die Entwicklung der Rechtsprechung in Hinblick auf § 650f BGB nur positiv ist. Nicht unerwähnt soll bleiben, dass die Bauhandwerkersicherheit nach § 650f BGB sowohl beim BGB-Vertrag als auch beim VOB-Vertrag geltend gemacht werden kann. Der Vertragstyp ist damit egal.
Carsten Seeger