Die allgemeine Verwirkung von Unterhaltsansprüchen gemäß § 242 BGB ist ein wichtiger Aspekt des deutschen Familienrechts. Sie dient der Sicherstellung von Rechtssicherheit, indem sie dem Unterhaltsgläubiger die Möglichkeit nimmt, nach langer Zeit noch Ansprüche durchzusetzen, wenn der Unterhaltspflichtige darauf vertrauen konnte, dass diese nicht mehr geltend gemacht werden würden. Dies soll verhindern, dass jemand nach langer Untätigkeit des Gläubigers plötzlich mit Rückforderungen konfrontiert wird, was als unbillig und unzumutbar angesehen wird.

Die Verwirkung von Unterhaltsansprüchen setzt sich aus zwei Elementen zusammen: dem Zeitmoment und dem Umstandsmoment. Das Zeitmoment bezieht sich auf die nicht erfolgte Geltendmachung des Unterhalts über einen längeren Zeitraum, während das Umstandsmoment in dem Umstand liegt, dass beim Unterhaltspflichtigen der Eindruck entsteht, der Unterhaltsgläubiger bedürfe des Unterhalts nicht mehr. In diesem Fall tritt die Verwirkung der Rückstände ein, auch wenn ein Titel besteht.

Die Verwirkung kann bereits nach einem Jahr eintreten, wenn der Gläubiger den Unterhalt über einen längeren Zeitraum hinweg nicht geltend gemacht hat.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs tritt Verwirkung jedenfalls dann ein, wenn seit der Einstellung der Unterhaltszahlungen sieben Jahre vergangen sind (BGH FamRZ 1999, 1422). Dies gilt auch für Ansprüche, die auf einer Jugendamtsurkunde beruhen, wie das Oberlandesgericht Braunschweig entschieden hat (OLG Braunschweig FamRZ 2023, 522). Voraussetzung für die Verwirkung ist jedoch, dass der Unterhaltspflichtige darauf vertrauen konnte, der Anspruch werde nicht mehr geltend gemacht.

Als Beispiele für die verhaltensbedingte Verwirkung von Unterhaltsansprüchen sind folgende Fälle anerkannt:

  • Die lebensführungsbedingte Verwirkung von Unterhaltsansprüchen tritt dann ein, wenn der Unterhaltsgläubiger sein Verhalten oder seine Lebensführung so gestaltet, dass er trotz finanzieller Unterstützung, wie etwa einer durch die Eltern finanzierten Ausbildung oder Therapiemaßnahmen, wiederholt in Fehlverhalten verfällt, das seine Bedürftigkeit in Frage stellt. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Unterhaltsberechtigte aufgrund von Suchtproblemen (z. B. Alkoholerkrankung oder Drogensucht) nicht in der Lage ist, sein Leben eigenverantwortlich zu führen und trotz wiederholter Unterstützung keine nachhaltige Besserung eintritt (vgl. AG Altena FamRZ 1994, 1130).
  • Sittliches Verschulden, schwere Verfehlung gegen den Pflichtigen (Beleidigungen und Körperverletzungen, Verschwendung des vorhandenen Vermögens, vgl. BGH FamRZ 1984, 366);
  • Vermögensdelikte (Prozessbetrug durch Verschweigen von Eigeneinkünften, OLG Koblenz FamRZ 1999, 402),
  • Vernachlässigung eigener Unterhaltspflicht (Eltern, die sich um die Erfüllung ihrer Unterhaltspflichten gedrückt haben, haben ihren Unterhaltsanspruch im Alter verwirkt, BGH FamRZ 2004, 1559).

§ 1579 BGB regelt die Verwirkung von Unterhaltsansprüchen im Fall von Geschiedenen, ist jedoch nach § 1361 Abs. 3 BGB auch auf Getrenntlebende entsprechend anzuwenden, mit Ausnahme der in § 1579 Ziff. 1 genannten Vorschrift.

Im Unterschied zum Nachscheidungsunterhalt besteht beim Trennungsunterhalt keine allgemeine zeitliche Begrenzung. Allerdings gibt es Ausnahmen: Wenn die Eheleute über einen sehr langen Zeitraum hinweg getrennt leben, wie beispielsweise mehr als 10 Jahre, kann nach der Rechtsprechung (vgl. OLG Bamberg FamRZ 2014, 1707) eine Verwirkung des Trennungsunterhalts eintreten. Das Prinzip, dass beim Trennungsunterhalt eine zeitliche Begrenzung im Gegensatz zum Nachscheidungsunterhalt nicht besteht, wird durch solche Ausnahmen relativiert, die eine Zumutbarkeit des Unterhaltsanspruchs nach sehr langer Trennung in Frage stellen.

Die Verwirkung von Unterhaltsansprüchen bei geschiedenen Ehegatten ist in § 1579 BGB geregelt. Dort sind verschiedene Verwirkungstatbestände aufgezählt, die zu einer Verwirkung des Unterhaltsanspruchs führen können. Es handelt sich um spezielle Konstellationen, die im Einzelnen zu einer Beendigung oder Einschränkung des Anspruchs auf Unterhalt führen. Hier die wesentlichen Verwirkungstatbestände im Detail:

  • Kurze Ehedauer (in der Regel weniger als zweijähriges Zusammenleben): Unter kurzer Ehedauer ist die Zeit bis zur Zustellung des Scheidungsantrags zu verstehend. Nach Auffassung des BGH ist eine Ehe als kurz anzusehen, wenn sie nicht mehr als drei Jahre gedauert hat (BGH FamRZ 1982, 582),
  • Verfestige Lebensgemeinschaft (die Beziehung mit dem neuen Partner muss mindestens 2-3 bestehen),
  • Verbrechen gegen den Unterhaltspflichtigen oder einen seiner nahen Angehörigen,
  • Mutwillige Herbeiführung der Bedürftigkeit,
  • Missachtung schwerwiegender Vermögensinteressen des Pflichtigen,
  • Grobe Verletzung eigener Verpflichtungen,
  • Schwerwiegendes, einseitiges Fehlverhalten.

Wer sich auf die Verwirkung eines Unterhaltsanspruchs beruftträgt auch die Beweislast für die Tatsachen, die die Verwirkung auslösen. Das bedeutet, dass der Unterhaltspflichtige, der die Verwirkung geltend machen möchte, nachweisen muss, dass die Voraussetzungen für die Verwirkung tatsächlich vorliegen.