Nachdem sich Kolumbien traditionell großzügig und unkompliziert bei der Vergabe von Visa an ausländische Einwanderer gezeigt hat, ist in jüngster Zeit ein gegenläufiger Trend zu beobachten. Zwar haben sich die gesetzlichen Vorgaben seit Oktober 2022 nicht geändert. Es gilt immer noch die Resolución 5477 de 2022 des kolumbianischen Außenministeriums (Ministerio de Relaciones Exteriores de Colombia), welche die einzelnen Visumstypen und Verfahrensschritte regelt. In jüngster Zeit ist im praktischen Alltag aber eine strengere Handhabung der Visumsverfahren zu beobachten. Im Folgenden werden ein paar typische Stolpersteine beleuchtet, die immer wieder auftreten:
1) Polizeiliches Führungszeugnis
Zwar werden nach den Vorschriften Führungszeugnisse nur für wenige spezifische Visumstypen explizit verlangt, so zum Beispiel für das Rentnervisum. In der Praxis fordert das Außenministerium nun aber in vielen Fällen auch Führungszeugnis in Visumsverfahren an, in denen dies den Vorschriften nach nicht vorgesehen ist, zum Beispiel für Investorenvisa. Erschwerend hinzu kommt, dass das Führungszeugnis bei Einreichung des Visumsantrags nicht älter als 90 Tage sein darf und apostilliert sein muss. Dieser Punkt sollte bei den Vorbereitungen und der Strategieplanung unbedingt bedacht werden.
2) Krankenversicherung
Das Ministerium verlangt nun nach Ermessen in vielen Verfahren einen Nachweis über Krankenversicherungsschutz in Kolumbien, teilweise auch bei Visumstypen, bei denen dies laut Vorschriften nicht verlangt wird. In manchen Fällen knüpft das Ministerium die Laufzeit des Visums an die bescheinigte Laufzeit der Krankenversicherung. Die Laufzeit der Versicherung sollte jedenfalls nicht weniger als ein Jahr betragen. Die kolumbianische gesetzliche Krankenversicherung (so genannte EPS) wird für bestimmte Visumstypen nicht mehr akzeptiert, insbesondere für Rentnervisa. Sollten sich ausländische Rentner vor Einreichung des Visumsantrags bereits bei einer EPS registriert haben, werden diese teilweise vom Ministerium aufgefordert, sich bei der EPS wieder abzumelden.
3) Rückblickende Prüfung der Erfüllung der Voraussetzungen von vorigen Visa
Ausländer, die vor der Einreichung eines Visumsantrags bereits Inhaber eines anderen Visums waren, können dazu aufgefordert werden, zu beweisen, dass sie die Bedingungen des vorigen Visums während dessen Laufzeit erfüllt haben. Wer beispielsweise ein Investorenvisum beantragt und sich zuvor mit einem Sprachstudentenvisum in Kolumbien aufgehalten hat, kann im Rahmen des Antrags auf das Investorenvisum dazu aufgefordert werden, zu beweisen, dass er den wesentlichen Anteil der Unterrichtseinheiten besucht hat, in diesem Falle mittels einer Bescheinigung der Sprachschule. Wer etwa von einem Arbeitsvisum auf einen anderen Visumstyp wechseln möchte, kann aufgefordert werden, nachzuweisen, dass er während der gesamten Laufzeit des mittlerweile abgelaufenen Arbeitsvisums tatsächlich angestellt war, Gehalt bekommen hat und Sozialversicherung bezahlt hat. Im Rahmen der Vorbereitung eines Visumsantrags sollte also immer auch die Visumshistorie geprüft werden.
4) Erschwerte Vergabe von Folgevisa
Bestimmte Visumstypen werden nur noch einmal vergeben. Zum Beispiel wird das sogenannte Visum für digitale Nomaden in aller Regel nur noch einmal vergeben und ist nicht verlängerbar. Wer von einem Visumstypen auf einen anderen Visumstypen wechselt, muss mit detaillierten Rückfragen des Ministeriums rechnen. Wer zum Beispiel von einem Visum für digitale Nomaden in den Status eines Sprachstudenten wechseln will, kann mit einem erhöhten Begründungsaufwand rechnen. Die vermutlich vor dem Hintergrund, dass es das Ministerium nun kritischer sieht, wenn mehrere Visumstypen, die eigentlich nur für einen befristeten Aufenthalt gedacht sind, aneinandergereiht werden und damit ein langfristiger Aufenthalt konstruiert wird.
5) Materielle Prüfung statt Prüfung reiner Formalien
Das bloße Erfüllen der formellen Voraussetzungen der einzelnen Visumstypen reicht heutzutage nicht mehr aus. Wenn zum Beispiel im Rahmen eines Firmengründervisums der Buchhalter / Steuerberater der Firma bescheinigt, dass das für Visumszwecke erforderliche Stammkapital der Firma zugeflossen ist (derzeit COP $130.000.000 pro Firmengründer), ist dies heutzutage meist nicht mehr ausreichend. Stattdessen werden häufig detaillierte Belege über die einzelnen Banküberweisungen aus dem Ausland auf das kolumbianische Firmenkonto verlangt. Dabei ist zu empfehlen, dass der jeweilige Firmengründer von seinem eigenen Auslandskonto aus das Stammkapital per regulärer Banküberweisung direkt auf das Geschäftskonto der Firma in Kolumbien überweist und eine korrekte Registrierung des Investitionsbetrags bei der kolumbianischen Zentralbank vornimmt. Andererseits kann das Ministerium argumentieren, dass es nicht bewiesen ist, dass der erforderliche Betrag tatsächlich in Kolumbien investiert wurde.
Konklusion
Die strengere praktischere Auslegung der Visumsvorschriften macht es erforderlich, dass die jeweiligen Antragsteller frühzeitig mit den Vorbereitungen und der Planung beginnen. Tendenziell macht es heutzutage Sinn, den Antrag zu stellen, solange man noch im Heimatland ist, d.h. nicht von Kolumbien aus. Denn immer öfter werden Dokumente angefordert, wie etwa apostillierte Führungszeugnisse aus dem Heimatland, welche von Kolumbien aus schwierig zu organisieren sind.