Vor kurzem kam ein Rechtsuchender zu mir, der zunächst von einer anderen Kanzlei vertreten worden war. Diese akquiriert ihre Mandanten bundesweit ausschließlich über das Internet. Dort wirbt sie damit, für jeden Forderungsinhaber ganz einfach einen Mahn- bzw. Vollstreckungsbescheid zu beantragen. Während dies auf den ersten Blick für den Rechtsuchenden eine unkomplizierte und schnelle Lösung zu sein scheint, verbirgt sich hinter dieser Praxis eine Kostenfalle. So wurde mein Mandant nicht darauf hingewiesen, dass er eine andere Kanzlei beauftragen muss, wenn sich der Anspruchsgegner gegen den Mahn- bzw. Vollstreckungsbescheid wehrt und aus diesem Grund die Klage begründet und bei Gericht eingereicht werden muss.
Zunächst ließ sich diese Kanzlei nur damit beauftragen, einen Mahnbescheid zu beantragen. Hierfür fiel bereits eine 1,0 Rechtsanwaltsgebühr an. Diese Gebühr ist gesetzlich geregelt und bemisst sich unabhängig vom Zeitaufwand ausschließlich am Streitwert, also demjenigen Forderungsbetrag, der mit dem Mahnbescheid geltend gemacht werden soll.
Wenn eine Forderung mit gerichtlicher Inanspruchnahme durchgesetzt werden soll, dann lässt sich eine seriöse Anwaltskanzlei dafür eine Prozessvollmacht erteilen. Diese Vollmacht umfasst nicht nur das gerichtliche Mahnverfahren, sondern auch die Vertretung vor Gericht. Was der Unterschied zwischen einer regulären Prozessvollmacht und einer auf das gerichtliche Mahnverfahren beschränkten Vollmacht ist, merkte unser Mandant, als die Gegenseite Widerspruch gegen den Mahnbescheid eingelegt hatte. An dieser Stelle war nämlich das Mandat der Anwaltskanzlei beendet. Dennoch hatte sie für das bloße Ausfüllen des Formulars bereits eine 1,0 Gebühr verdient.
Für einen Mahn- bzw. Vollstreckungsbescheid braucht man keine besondere juristische Ausbildung. Solche Bescheide können Sie theoretisch auch ohne Rechtsanwalt beantragen. Eine Klagebegründung hingegen erfordert eine entsprechende fachliche Ausbildung und kann beim Landgericht nur von einem Rechtsanwalt eingereicht werden. Zuvor wird der Anwalt mit Ihnen aber regelmäßig wenigstens ein Beratungsgespräch führen, um Sie optimal zu vertreten.
Für eine Klagebegründung, die entsprechendes Fachwissen voraussetzt und deutlich zeitaufwändiger ist als das bloße Ausfüllen eines Formulars für einen Mahnbescheid, fällt eine 1,3 Gebühr an. Wenn ein Rechtsanwalt mit einer Prozessvollmacht beauftragt wurde und für Sie bereits einen Mahnbescheid beantragt hat, dann muss er die 1,0 Gebühr für den Mahnbescheid auf die 1,3 Gebühr für die Klagebegründung voll anrechnen. Beispiel: Bei einem Streitwert von € 10.000,00 beträgt die Anwaltsgebühr für einen Mahnbescheid € 614,00 nebst € 20,00 Pauschale plus € 120,46 USt, also € 754,46 brutto. Für die Klagebegründung fällt eine Anwaltsgebühr von € 824,20 nebst € 20,00 Pauschale plus € 156,60 USt an, also € 980,80 brutto. Auf diese € 980,80 ist die Gebühr von € 754,46 für den Mahnbescheid anzurechnen, sodass nur noch die Differenz von € 226,34 gezahlt werden muss.
Im Ergebnis hätte mein Mandant für die Einreichung der Klage bei Gericht also insgesamt € 980,80 an Anwaltsgebühren zahlen müssen, wenn er die Anwaltskanzlei auch mit der Durchführung des Klageverfahrens beauftragt hätte. Hierzu ließ sich diese Kanzlei, die ihre Vollmacht nur auf das Erstellen eines Mahnbescheids beschränkt hatte, aber nicht mehr beauftragen. Wahrscheinlich wäre sie auch gar nicht dazu in der Lage gewesen, weder fachlich noch personell, für unseren Mandanten eine ordnungsgemäße Klageschrift zu erstellen. So hatte es zu dieser Kanzlei zu keiner Zeit einen persönlichen Kontakt oder gar eine Beratung gegeben. Alles war über das Internet gelaufen.
Nachdem wir mit unserem Mandanten ein ausführliches Gespräch geführt hatten, haben wir von ihm zahlreiche Unterlagen angefordert, um anschließend die Klage ordnungsgemäß zu begründen. Bevor die Klagebegründung bei Gericht eingereicht wurde, haben wir sie außerdem ausführlich mit unserem Mandanten besprochen.
Eine scheinbar günstige Lösung entpuppt sich nicht selten als teure Variante, insbesondere wenn der Vertragspartner in der Anonymität des Internets bleibt und nicht persönlich ansprechbar ist. Da die Anwaltsgebühren gesetzlich geregelt sind, sollten Sie immer einen Anwalt beauftragen, der für Sie erreichbar ist und Sie fachlich kompetent berät. Von Internetangeboten ist unbedingt abzuraten, zumal solche aufgrund der Rechtsanwaltsgebührenverordnung nicht günstiger sind als der Anwalt Ihres Vertrauens. Im Gegenteil: Unser Mandant musste zusätzlich € 754,46 zahlen, auf denen er sitzen bleibt, selbst wenn er den Prozess gegen den Anspruchsgegner vollumfänglich gewinnen wird.