Hat der Erblasser bestimmte Verwandte in seiner Verfügung von Todes wegen nicht bedacht, bestimmt § 2303 BGB, dass Abkömmlingen, Ehegatten und ggf. den Eltern des Erblassers ein Mindestwertanteil am Nachlass durch Einräumung eines sog. Pflichtteils zusteht. Diese wirtschaftliche Mindestbeteiligung, der Pflichtteil, auch Pflichtteilsanspruch, Pflichtteilsrecht und im Volksmund auch Pflichterbe genannt, soll als tragendes Strukturprinzip ebenso wie die Testierfreiheit durch die Erbrechtsgarantie des § 14 Abs. 1 GG geschützt sein (BVerfGE 112, 332).

Für die Bemessung dieses Anspruchs werden dann wiederum die Regeln der gesetzlichen Erbfolge herangezogen, da der Pflichtteilsanspruch nur demjenigen zustehen soll, der auch nach der gesetzlichen Erbfolge tatsächlich Erbe geworden wäre, wenn er nicht durch die letztwillige Verfügung des Erblassers enterbt worden wäre.

Der Pflichtteilsanspruch entsteht mit Eintritt des Erbfalls (§ 2317 Abs. 1 BGB), ist auf Geldzahlung gerichtet und beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils (§ 2303 Abs. 1 S. 2 BGB). Die Quote, mit der der Pflichtteilsberechtigte im hypothetischen Fall erben würde wird daher durch die Zahl der mitzuzählenden „fiktiven“ Erben beeinflusst (§ 2310 BGB). Der Pflichtteilsberechtigte ist nicht Miterbe, sondern erlangt er einen Zahlungsanspruch gegen den Erben. Um den Pflichtteilsanspruch beziffern zu können, haben enterbte Pflichtteilsberechtigte einen Anspruch auf Auskunft und Wertermittlung gem. § 2314 BGB gegenüber den Erben.


Kann ich meine Ehefrau enterben?

Das gesetzliche Erbrecht des überlebenden Ehegatten endet spätestens mit Rechtskraft der Scheidung, kann aber gesetzlich schon vorverlagert werden auf den Zeitpunkt, zu dem ein Scheidungsantrag zugestellt ist und die Scheidungsvoraussetzungen vorliegen (§ 1933 BGB).

Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, verbleibt dem Erblasser nur die Möglichkeit, seinen Ehepartner durch letztwillige Verfügung vom Nachlass auszuschließen. Dem überlebenden Ehepartner steht dann aber gem. § 2303 BGB der Pflichtteilsanspruch zu.


Kann ich meinen Bruder enterben?

Schließt der Erblasser ein Geschwisterteil durch letztwillige Verfügung ausdrücklich von der Erbfolge aus und wäre dieser aber nach der gesetzlichen Erbfolge Erbe geworden, so kann dieser in vollem Umfang von der Beteiligung am Nachlass ausgeschlossen werden, weil § 2303 BGB für Geschwister keinen Pflichtteil vorsieht.


Kann mein Vater mich enterben?

Das Kind des Erblassers gehört der ersten Ordnung an und kann, wenn es durch Verfügung von Todes wegen von der Erbfolge ausgeschlossen worden ist, grundsätzlich zumindest den Pflichtteil verlangen.

Ausnahmsweise ist jemand nicht pflichtteilsberechtigt, wenn er für erbunwürdig erklärt worden ist (§§ 2344, 2345 Abs. 2 BGB) oder der Erblasser ihm zu Recht den Pflichtteil entzogen hat (§§ 2333, 2336 BGB). Ein solcher Fall liegt etwa dann vor, wenn der Pflichtteilsberechtigte den Erblasser durch arglistige Täuschung bestimmt hat, eine Verfügung von Todes wegen zu errichten, sich eines Verbrechens gegen den Erblasser oder einer ihm nahestehenden Person schuldig gemacht hat oder diesen nach dem Leben trachtet. Liegen diese Voraussetzungen vor, so kann auch das Kind des Erblassers vollumfänglich vom Nachlass ausgeschlossen werden.