Ende Oktober 2024 konnte ich für meine Mandanten ein sehr gutes Ergebnis in einem wichtigen Verfahren erreichen. Das Bundearbeitsgericht hatte in seiner Entscheidung am 23.10.2024 unter dem Aktenzeichen 7 ABR 36/23 darüber zu beschließen, ob Beschäftigte in Werkstätten für behinderte Menschen eine im Betrieb des Arbeitgebers zu wählende Schwerbehindertenvertretung mit wählen dürfen oder nicht. Drei wahlberechtigte schwerbehinderte Arbeitnehmer/innen haben Ende 2022 die Wahl angefochten, weil die Werkstattbeschäftigten nicht auf der Wählerliste aufgeführt waren und somit nicht wählen durften. 

Dem Antrag, die Wahl für unwirksam zu erklären, haben sowohl das Arbeitsgericht Frankfurt als auch das hessische Landesarbeitsgericht stattgegeben. 

Die Entscheidung des hessischen Landesarbeitsgerichts in Frankfurt beleuchtete die Bedeutung und die Koexistenz von Werkstatträten und Schwerbehindertenvertretungen in Werkstätten für behinderte Menschen. Trotz der Vertretung durch Werkstatträte, die sich um die Belange der behinderten Menschen in anerkannten Werkstätten (wie ein Betriebsrat) kümmern, bestätigte das Gericht die Notwendigkeit einer Schwerbehindertenvertretung im selben Betrieb. Es stellte klar, dass auch arbeitnehmerähnliche Beschäftigte, sofern sie schwerbehindert oder diesen gleichgestellt sind, das Recht haben, an der Wahl der Schwerbehindertenvertretung teilzunehmen. Dies signalisierte bereits einen wichtigen Schritt in Richtung Inklusion und Anerkennung der spezifischen Bedürfnisse schwerbehinderter Beschäftigter in Werkstätten für behinderte Menschen. 

In der Rechtsbeschwerde vor dem Bundesarbeitsgericht verfolgte der Arbeitgeber weiterhin seinen Standpunkt, dass ein Werkstattrat zur angemessenen Vertretung der Interessen der Werkstattbeschäftigten ausreichend sei und die Werkstätten zudem nicht dem eigentlichen Betrieb des Arbeitgebers angehören. Ferner gäbe die Gesetzessystematik des Sozialgesetzbuches schon eine Zuständigkeit der Schwerbehindertenvertretung für die Werkstattbeschäftigten nicht her. Das BAG hat den Antrag des Arbeitgebers zurückgewiesen und eine Co-Existenz von Werkstattrat und Schwerbehindertenvertretung bejaht. Die Entscheidung ist auch so zu verstehen, dass die Beschäftigten der Werkstätten auch das passive Wahlrecht haben, soweit die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. 

Hier geht es zu den Entscheidungsgründen des BAG: 7 ABR 36/23 - Das Bundesarbeitsgericht

Der Entscheidung ist zu entnehmen, dass nicht nur das aktive Wahlrecht, sondern auch das passive Wahlrecht den Beschäftigten der Werkstätten zustehen. Dies widerspricht jedoch § 177 Abs. 3 S. 2 SGBIX und dürfte deshalb streitbar sein.

Viele Grüße aus Frankfurt am Main

Aytül Otters
Fachanwältin für Arbeitsrecht