Nach einer Entscheidung des OLG Hamm vom November 2015 sollen „Zettel-Testamente“ unwirksam sein, weil daraus nicht erkennbar hervorgeht, ob sie rechtlich verbindlich sein sollen oder ob es sich nur um Testamentsentwürfe handelte.
Dieser Auffassung des OLG Hamm kann in der vorliegenden Allgemeinheit nicht uneingeschränkt gefolgt werden. Das OLG unterscheidet zwischen Testamenten auf einer „üblichen Schreibunterlage“ einerseits und auf einem „ausgeschnittenen Stück Papier“ andererseits. Es stellt sich die Frage, was eine „übliche Schreibunterlage“ im gesetzlichen Sinne ist. Für eine Unterscheidung zwischen üblichen und nicht üblichen Schreibunterlagen gibt es im Gesetz keine unmittelbare Grundlage. Im Grunde müsste auch ein Testament, das von Hand auf eine völlig ungewöhnliche Unterlage geschrieben wurde (z.B. die Motorhaube des vergötterten Lieblingsautos) rechtlich wirksam sein. Nach § 2247 BGB ist für ein wirksames privatschriftliches Testament nur zwingend vorgeschrieben, dass es vom Errichtenden eigenhändig geschrieben und unterschrieben wurde. Bereits die Ortsangabe und die Angabe des Datums sind sinnvolle, aber keineswegs zwingende Zusätze in einem Testament.
Zuzustimmen ist dem OLG Hamm aber insoweit, als die äußere Form eines Schriftstücks Rückschlüsse auf die Ernsthaftigkeit zulässt, mit der es geschrieben wurde.
Letztlich wurde die Wirksamkeit der Zettel-Testamente in der Entscheidung des OLG Hamm wegen Zweifeln am Testierwillen der Errichtenden abgelehnt, die noch weitere Gründe haben. Zu der äußeren Form hinzu kamen einige gravierende Schreibfehler und ein teils unvollständiger Text, obwohl die Erblasserin die deutsche Sprache gut beherrscht hatte, sowie der Aufbewahrungsort in einer ungeordneten Schatulle. In der Summe kann dies alles durchaus zu berechtigten Zweifeln am Testierwillen des Errichtenden führen, sodass die Entscheidung im Ergebnis gut nachvollziehbar ist.
Trotz der aufgezeigten juristischen Schwächen ist zu erwarten, dass die Entscheidung weitergehende Beachtung findet und andere Nachlassgerichte allein wegen der äußeren Form Zweifel an der Wirksamkeit eines Testaments haben. Wer ein Testament errichtet, sollte daher sicherstellen, dass auch die Äußerlichkeiten die Ernsthaftigkeit seines Anliegens nicht in Frage stellen und auf einen vollständigen, klar formulierten Text achten, wenn er nicht ohnehin anwaltliche Beratung in Anspruch nimmt. Wer ein Testament findet, das entsprechende Mängel aufweist, sollte nicht auf eine rechtliche Prüfung im Erbscheinsverfahren verzichten. Jedes Testament muss ohnehin dem Nachlassgericht vorgelegt und von diesem von Amts wegen berücksichtigt werden. Das OLG Hamm bewegt sich mit seiner Begründung keineswegs auf rechtlich gesichertem Terrain und es ist zu hoffen, dass Nachlassgerichte die Entscheidung nicht ohne kritische Prüfung übernehmen.
OLG Hamm, Beschluss vom 27.11.2015 (10 W 153/15)
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Zetteltestament unwirksam? - Eine beachtenswerte Entscheidung des OLG Hamm
2016/01/21

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