Urteil des LSG Celle-Bremen vom 11.10.2023 (Az. L 4 KR 291/23) schwächt die Rechte von Personen, die eine Geschlechtsumwandlung beabsichtigen


Im Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Celle-Bremen vom 11.10.2023 (Az. L 4 KR 291/23) wurde die Frage behandelt, ob die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) die Kosten für die Kryokonservierung von Samenzellen bei einer geplanten Geschlechtsumwandlung (Transition von Mann zu Frau) übernehmen muss. Diese Entscheidung ist besonders relevant für Personen, die eine Geschlechtsumwandlung planen und gleichzeitig ihren Kinderwunsch bewahren möchten.


Hintergrund und Rechtsgrundlagen

Versicherte haben gemäß § 11 Abs. 1 Nr. 4 SGB V Anspruch auf Leistungen zur Behandlung einer Krankheit. Im Kontext der künstlichen Befruchtung sieht § 27a SGB V Sachleistungsansprüche vor, die auch die Kryokonservierung von Ei- oder Samenzellen umfassen können. Diese Leistungen werden durch die Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) konkretisiert. Eine Kostenübernahme durch die GKV ist jedoch nur dann möglich, wenn eine keimzellschädigende Therapie aufgrund einer Erkrankung erforderlich ist. Beispiele hierfür sind operative Eingriffe, Strahlentherapie oder fertilitätsschädigende Medikamente.


Genauere Informationen zur Kryokonservierung von Keimzellen und dem Leistungsumfang in der GKV  (§ 27a SGB V) finden Sie auf unserer Webseite:

Kinderwunsch (anwaelte-schneider-stein.de)


Der Fall und die Entscheidung

Der unverheiratete Kläger plante eine Geschlechtsumwandlung von Mann zu Frau und beantragte die Kostenübernahme für die Kryokonservierung seiner Samenzellen. Er argumentierte, dass die hormonelle und operative Behandlung im Rahmen der Transition seine Fertilität beeinträchtigen (beenden) würde. Die GKV lehnte den Antrag ab, da die geplante Behandlung nicht unter die Kategorie der keimzellschädigenden Therapien im Sinne der GBA-Richtlinien fiel.

Das Sozialgericht (SG) gab dem Kläger recht und verpflichtete die GKV zur Kostenübernahme. Die Beklagte legte Berufung ein. Das LSG Celle hob die Entscheidung des SG auf und wies den Antrag des Klägers ab. Das LSG argumentierte, dass eine Geschlechtsumwandlung keine keimzellschädigende, sondern eine keimzellvernichtende Therapie darstelle. Damit falle sie nicht unter die Regelungen des § 27a SGB V und der entsprechenden GBA-Richtlinien.


Begründung und Ausblick

Das LSG stützte seine Entscheidung auf den Wortlaut der Kryo-Richtlinie, die eine keimzellschädigende Therapie voraussetzt. Die gezielte Vernichtung von Keimzellen im Rahmen einer Geschlechtsumwandlung fällt nicht darunter. Eine analoge Anwendung der Richtlinie auf den vorliegenden Fall lehnte das Gericht ab, da keine planwidrige Regelungslücke vorliege. Zudem sei keine konkrete Planung für eine künstliche Befruchtung vorhanden, sodass die Maßnahme als rein vorsorglich angesehen wurde.


Das Gericht verwies auch auf die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), das klargestellt hat, dass die GKV nicht verpflichtet ist, Maßnahmen zur Familienplanung zu finanzieren, sofern diese nicht als Krankheitsbehandlung klassifiziert werden können. Die Entscheidung des LSG zeigt deutlich, dass der Gesetzgeber eine klare Trennung zwischen medizinisch notwendigen Behandlungen und Maßnahmen der Familienplanung vorsieht.


Empfehlung für Betroffene

Für Personen, die eine Geschlechtsumwandlung planen und gleichzeitig ihre Keimzellen kryokonservieren lassen möchten, ist diese Entscheidung von großer Bedeutung. Es wird empfohlen, einen Antrag auf Kostenübernahme bei der GKV zu stellen und im Falle einer Ablehnung Widerspruch einzulegen und gegebenenfalls Klage zu erheben. Bisherige Entscheidungen der Sozialgerichte in Berlin und Hildesheim, welche einen Anspruch bejaht hatten, bieten einige gute Argumente, die in diesen Verfahren genutzt werden können. Zudem bleibt abzuwarten, wie das Bundessozialgericht (BSG) in der Revision entscheiden wird, die zur grundsätzlichen Klärung dieser Frage zugelassen wurde.


Betroffene sollten sich darüber im Klaren sein, dass die rechtliche Situation komplex ist und dass die Kostenübernahme für die Kryokonservierung im Zusammenhang mit einer Geschlechtsumwandlung derzeit nicht gewährleistet ist. Eine rechtliche Beratung und Unterstützung kann in diesen Fällen hilfreich sein, um die bestmöglichen Argumente vorbringen und die Chancen auf eine positive Entscheidung erhöhen zu können.

Unser Fachanwalt für Medizinrecht und Familienrecht Dr. Oldenburger berät Sie bei Fragen zur Kryokonservierung von Keimzellen und künstlichen Befruchtung gern.