Einleitung
Im Erbrecht spielt der Pflichtteil eine zentrale Rolle, um nahe Angehörige vor dem völligen Ausschluss von der Erbschaft zu schützen. Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über die Pflichtteilsansprüche, deren rechtliche Grundlagen und praktische Umsetzung.
Definition und Rechtsgrundlagen
Der Pflichtteil ist ein gesetzlich garantierter Mindestanteil am Nachlass, der bestimmten nahen Angehörigen des Erblassers zusteht, selbst wenn diese durch Testament oder Erbvertrag enterbt wurden. Die gesetzliche Grundlage für den Pflichtteil findet sich in vielen Ländern in den jeweiligen Erbgesetzen, wie zum Beispiel im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in Deutschland.
Berechtigte Personen
Zu den pflichtteilsberechtigten Personen gehören in der Regel:
- Abkömmlinge (Kinder, Enkel)
- Ehepartner oder eingetragene Lebenspartner
- Eltern des Erblassers
Geschwister oder entferntere Verwandte sind in den meisten Rechtssystemen nicht pflichtteilsberechtigt.
Höhe des Pflichtteils
Der Pflichtteil beträgt üblicherweise die Hälfte des gesetzlichen Erbteils. Um den Pflichtteil zu berechnen, wird der Nachlasswert ermittelt und anschließend der gesetzliche Erbteil der berechtigten Person berechnet. Von diesem Erbteil steht der pflichtteilsberechtigten Person die Hälfte als Pflichtteil zu.
Beispiel:
- Gesetzlicher Erbteil: Ein Kind würde nach gesetzlicher Erbfolge 50% des Nachlasses erhalten.
- Pflichtteil: Der Pflichtteil beträgt somit 25% des Nachlasses.
Berechnung des Nachlasswertes
Zur Berechnung des Pflichtteils muss zunächst der Nachlasswert ermittelt werden. Dazu werden alle Aktiva und Passiva des Erblassers zusammengestellt:
- Aktiva: Immobilien, Bankguthaben, Wertpapiere, Schmuck, Kunstgegenstände etc.
- Passiva: Schulden, Verbindlichkeiten, Beerdigungskosten etc.
Vom so ermittelten Nachlasswert werden die Verbindlichkeiten abgezogen, um den reinen Nachlasswert zu erhalten.
Geltendmachung des Pflichtteils
Der Pflichtteilsberechtigte muss seinen Anspruch aktiv geltend machen. Dies erfolgt in der Regel durch eine schriftliche Aufforderung an die Erben, in der die Auszahlung des Pflichtteils verlangt wird. Wird dieser Anspruch nicht erfüllt, kann der Pflichtteilsberechtigte den Pflichtteil einklagen.
Pflichtteilsergänzungsanspruch
Um Umgehungen des Pflichtteils durch lebzeitige Schenkungen zu verhindern, gibt es den sogenannten Pflichtteilsergänzungsanspruch. Hierbei werden Schenkungen, die der Erblasser innerhalb der letzten zehn Jahre vor seinem Tod vorgenommen hat, zum Nachlass hinzugerechnet und bei der Berechnung des Pflichtteils berücksichtigt. Hier können auch sog. gemischte Schenkungen relevant sein. Je nachdem, zu welchen Bedingungen und unter welchen Personen Schenkungen erfolgt sind, können sie auch über einen längeren Zeitraum als 10 Jahre zu berücksichtigen sein.
Einschränkungen und Ausschluss
Unter bestimmten Umständen kann der Pflichtteil gemindert oder ganz ausgeschlossen werden. Dies ist etwa bei schweren Verfehlungen des Pflichtteilsberechtigten gegenüber dem Erblasser der Fall. Auch eine wirksame Enterbung durch letztwillige Verfügung ist möglich, wenn ein Enterbungsgrund vorliegt, der in den jeweiligen Erbgesetzen festgelegt ist.
Fazit
Der Pflichtteil stellt eine wichtige Schutzvorrichtung im Erbrecht dar, die sicherstellt, dass nahe Angehörige auch im Falle einer Enterbung einen Mindestanteil am Nachlass erhalten. Die genaue Berechnung und Geltendmachung des Pflichtteils erfordert jedoch fundiertes Wissen im Erbrecht und sollte im Zweifelsfall durch rechtliche Beratung begleitet werden.
Hierfür steht Ihnen Rechtsanwalt Nicolas Gotzen als Fachanwalt für Erbrecht und zertifizierter Testamentsvollstrecker zur Verfügung. Er vertritt Erben und Pflichtteilsberechtigte bundesweit.