Nach einem Urteil des Oberlandesgerichts Schleswig vom 15.11.2022 (7 U 42/22) ist eine deutlich über der Richtgeschwindigkeit auf Autobahnen von 130 km/h liegende Ausgangsgeschwindigkeit bei der Haftungsabwägung als betriebsgefahrerhöhend zu berücksichtigen. Bei einer Überschreitung der Richtgeschwindigkeit um ca. 70 km/h kann eine Mithaftung von 25 % gerechtfertigt sein.
Hintergrund des Urteils war ein Verkehrsunfall eines Fahrzeuges, welches für etwa einen km gerade Sicht hatte. Die Witterungsbedingungen waren trocken und sonnig. Die Fahrbahn war zweispurig und eine Geschwindigkeitsbegrenzung bestand nicht. Das klägerische Fahrzeug fuhr mit einer Geschwindigkeit von etwa 120-140 km/h. Die Klägerin kollidierte auf der linken Fahrbahn mit dem dort fahrenden Pkw des Beklagten, welches mit einer Geschwindigkeit von etwa 200 km/h fuhr.
Die Klägerin hatte behauptet, dass sie von der rechten auf die linke Fahrspur gewechselt war, um Fahrzeuge auf der rechten Spur zu überholen. Trotz Blicks in den Rück- und Seitenspiel sowie über die Schulter habe sie das Fahrzeug des Beklagten nicht gesehen, die Spur sei für sie frei gewesen. Vor dem Unfall sei sie bereits etwa 10 Sekunden auf dem linken Fahrstreifen gefahren. Die Beklagten haben erklärte, dass die Klägerin unvermittelt vor dem Fahrzeug des Beklagten auf die linke Spur gewechselt sei. Wegen des geringen Abstands habe dieser trotz einer Vollbremsung den Umfall nicht vermeiden können.
Das Landgericht Itzehoe hatte mit Urteil vom 28.1.2022 (4 O 108/20) der Klage auf der Basis einer Quote von 10 % stattgegeben, da die Klägerin gegen § 7 Abs. 5 S. 1 StVO verstoßen habe, in dem sie in verkehrsgefährdender Weise die Spur gewechselt hat.
Das Berufungsgericht hielt unter Abwägung der Verursachungsbeiträge eine Haftungsquote von 75 % zu 25 % zugunsten des Beklagten für richtig, da es darauf ankäme, inwieweit der Schaden vorwiegend von dem einen oder anderen Teil verursacht worden sei. Hierbei seien jedoch lediglich die unstreitigen, zugestanden und bewiesenen Umstände zu berücksichtigen. Die Klägerin habe die überwiegende Ursache für den Unfall gesetzt, da in allen Fällen ein Fahrstreifen nur gewechselt werden darf, wenn eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen ist.
Die erhebliche Überschreitung der Richtgeschwindigkeit vergrößert in haftungsrelevanter Weise die Gefahr, dass sich andere Verkehrsteilnehmer auf diese Fahrweise nicht einstellen und insbesondere Geschwindigkeit unterschätzen, weshalb eine Mithaftung von 25 % gerechtfertigt ist.